Zum 75. Geburtstag von Isa Genzken präsentiert die Neue Nationalgalerie in Berlin eine Ausstellung mit insgesamt 75 Skulpturen, welche alle Schaffensphasen der Künstlerin abdecken – beginnend in den 1970er-Jahren bis heute.
Die Werke bieten einen faszinierenden Einblick in das Werk von Isa Genzken und führen Besucher*innen durch ihre verschiedenen Stilrichtungen: Von den frühen Hyperbolos aus den siebziger Jahren über Betonarbeiten aus dem Jahrhundertwechsel hin zu ihren neuesten Arbeiten wie beispielsweise Schauspielern oder Skulpturgruppen.
Den Auftakt zur Ausstellung bildet dabei die gigantische Rosenskulptur (2016/23), welche auf der Terrasse des Museums platziert ist und ein wahrhaft imposantes Bild darstellt. Chronologisch geordnet sind sämtliche Werke zwischen 1977 und 2023 verteilt, sodass jede einzelne Arbeit vollständig betrachtet werden kann – auch dank ihrer Platzierung entlang der gesamten oberen Halle.
Betrachter*innen können somit jedes Kunstwerk umrunden sowie hindurchgehen; dieser Zugang ermöglicht es ihnen, jeden Aspekt einer jeden Szene genau unter Augenschein nehmen zu dürfen – ganz nach Belieben!
Wichtige Stationen im Leben und Werk der Künstlerin
Minimal Art – Ellipsoide und Hyperbolos
Isa Genzken (geboren 1948) schuf in der Zeit von 1976 bis 1982 unter dem Einfluss der US-amerikanischen Minimal Art die Werkgruppe aus Ellipsoiden und Hyperboloiden. Diese Holzskulpturen, welche zwischen sechs und zwölf Metern lang sind, liegen an einem Punkt auf dem Boden auf. Die Grundform der Hyperboloide besteht aus einer konkaven Linie und sie berühren den Boden an zwei Punkten.
Mithilfe eines Physikers von der Universität Köln berechnete Isa Genzken am Computer die Durchmesser sowie Maße dieser Kunstwerke. Im Gegensatz zur Minimal Art war es für die Künstlerin wichtig, dass Betrachter*innen durch ihre Assoziation etwas erkennen können – zum Beispiel einen Speer, Zahnstocher oder ein Boot.
Gips als neues Medium der Wahl
In den späten Achtzigern wandte sich Isa Genkzen neuen Materialien zu: Gips wurde ihr neues Medium ihrer Wahl. Sie fertigte kleinere Skulpturen mit Hilfe verschiedener Stoffe wie Holz, Papier oder Glas an.
Diese improvisierten Formate stehen im Kontrast zur Eleganz sowie technischer Präszision hölzerner Werke wie beispielsweise Ellipsoide/Hyperboloide; stattdessen wendet sie sich hierbei eher materialitätsbehafteten Objekten des Alltagslebens zu.
Beton-Skulpturen und Assoziationen zur Architektur
Im Jahr 1985 kreierte diese herausragende Künstlerin dann auch noch eine weitere Arbeitsserie – diesmal jedoch bestehend aus Beton-Skulpturen: Weltempfänger mit Antennen verweisen dabei deutlich auf Funktion(en), nämlich das gleichzeitige Senden und Empfangen.
Genzken beschäftigte sich intensiv mit Architektur und Stadtplanung, wobei sie insbesondere von New York und Berlin fasziniert war. Ab 1988 begann sie damit, Betonskulpturen zu erschaffen. Diese wecken Assoziationen an den Städtebau der 1950er- und 1960er-Jahre – beispielsweise Le Corbusiers „Unité d’Habitation“ in Berlin.
Im Jahr 1990 brach Genzken aus diesem Muster aus: Sie entwarf die Werkreihe Fenster. Hierbei wird besonders deutlich, wie ihre Kunst auf spielerische Weise mit der gläsernen Architektur von Mies van der Rohe kommuniziert – sowohl im Innen- als auch Außenbereich.
Die Skulptur „X“ (1992) nimmt wiederum Bezug auf die Fassade des John-Hancock-Gebäudes in Chicago (1965–69). Zum ersten Mal liegen hier tragende Teile außerhalb des Gebäudeinneren – eine Idee, welche durch Genzkens Arbeit verarbeitet wurde. Die während Documenta IX präsentierte Skulptur greift das Konzept eines Skeletts aus Stahlkreuzen auf.
New York und Säulen aus Epoxidharz
Zwischen den Jahren 1994 bis 2003 kreierte Genzken zudem eine Reihe von Säulen/Stelen mithilfe Epoxidharzes hergestellt wurden. Auch diese Werke zeugen vom Reiz New Yorks für die Künstlerin selbst: Collagenartig zusammengesetzt bestehen sie unter anderem perforierten Blechen über einer Holzstrukturbasis sowie verspiegelten oder holografisch wirkenden Landkarten und fotografischen Reproduktionen.
Paradigmenwechsel
Isa Genzkens 2003 entstandene Werkserie Empire/Vampire, Who Kills Death gilt als Paradigmenwechsel in ihrem Schaffen. Wie Filmszenen stehen Figurenkonfigurationen auf Sockeln, die zu Bühnen für absurde und gewalttätige Erzählungen werden. Der Titel leitet sich vom Empire State Building ab, während Vampire vom Chrysler Building stammt.
Spielzeugfiguren krabbeln oder klettern auf überdimensionalen Vasen und Gläsern; Weingläser symbolisieren Rituale, Feste und Rauschzustände.
Ihre Serie Untitled (2006) folgt diesem narrativen Ansatz: Kleine Kinderpuppen sitzen verlassen unter zerrissenen Sonnenschirmen, die keinerlei Schutz bieten. Der menschliche Körper hat in Isa Genzkens‘ Arbeiten schon immer eine wichtige Rolle gespielt – Analogien zur Architektur oder Beziehungen zum Körper des Betrachters sind Beispiele dafür.
Schaufensterpuppen
Seit 2007 verwendet sie verstärkt handelsübliche Schaufensterpuppen, die industriell gefertigt sind und standardisierte Proportionen aufweisen, eingeschränktem Posenrepertoire sowie ausdruckslosen Gesichtern und einheitlichen Oberflächen.
Ausgestattet mit Helmen, die zu groß für ihre Köpfe sind, tragen sie Accessoires, die den Schutz vor äußeren Bedrohungen widerspiegeln, statt Empfangssignale.
Viele der gezeigten Kleidungsstücke stammen direkt aus Genzkens eigenem Kleiderschrankrepertoire.
Die Ausstellung beinhaltet eine der neuesten Arbeiten namens „Untitled“ (2018), die auf sanfte Art und Weise den Boden mit einer Collage aus verschiedenen Materialien wie Zeitschriften, Zeitungen, Einkaufstüten und Fotografien bedeckt.
Schon zwischen 1989 bis 1991 begann Genzken Abbildungen aus dem Magazin „Der Spiegel“ zu sammeln. Das Werk fängt somit nicht nur ein Stück Geschichte Deutschlands ein sondern auch wichtige Ereignisse wie das Ende des Kalten Krieges sowie die Ära vor dem ersten Golfkrieg sind darin dokumentiert.
Alle wichtigen Daten zur Ausstellung „Isa Genzken. 75/75“
Isa Genzken. 75/75
Ort: Kulturforum, Neue Nationalgalerie
Potsdamer Straße 50, 10785 Berlin
Di – Mi 10 – 18 Uhr, Do 10 – 20 Uhr, Fr – So 10 – 18 Uhr
13. Juli – 27. November 2023
Eine Ausstellung der Nationalgalerie – Staatliche Museen zu
Berlin
Eröffnung: Mittwoch, 12. Juli, 19 Uhr
Am Montag, 27. November 2023 ist das Museum anlässlich des Geburtstags der Künstlerin für eine Sonderöffnung geöffnet.
Kuratorisches Team
Kuratiert von Klaus Biesenbach, Direktor Neue Nationalgalerie und Lisa Botti, Assistenzkuratorin, Neue Nationalgalerie.
Publikation zur Ausstellung
Zur Ausstellung erscheint im August 2023 ein Katalog im Verlag Walther König.
Zur Ausstellung wird ein Erkundungspass für Kinder und Familien in Form eines kostenlosen Begleitheftes angeboten.
Angebote und Veranstaltungen
Im Rahmen der Ausstellung finden zahlreiche Angebote und Programme für Erwachsene, Kinder, Familien, Schulen und Kindertagesstätten statt.
Video-Reihe zur Ausstellung
Die komplette Videoreihe finden Sie hier.
Alle Kunstwerke in dieser Ausstellung wurden per Landtransport transportiert. Dies ist eine kohlenstoffärmere Art, Kunstwerke zu transportieren, da der Transport auf der Straße im Durchschnitt zehnmal kohlenstoffärmer ist als der Transport derselben Objekte per Flugzeug.
Die Ausstellung wird ermöglicht durch die Freunde der Nationalgalerie.
Weiterführende Informationen, Pressemitteilungen, und Ausstellungsheft auf der Presseseite der Staatlichen Museen zu Berlin zur Ausstellung.
Inhaber und Geschäftsführer von Kunstplaza. Publizist, Redakteur und passionierter Blogger im Bereich Kunst, Design und Kreativität seit 2011. Erfolgreicher Abschluss in Webdesign im Rahmen eines Hochschulstudiums (2008). Weiterentwicklung von Kreativitätstechniken durch Kurse in Freiem Zeichnen, Ausdrucksmalen und Theatre/Acting. Profunde Kenntnisse des Kunstmarktes durch langjährige journalistische Recherchen und zahlreichen Kooperationen mit Akteuren/Institutionen aus Kunst und Kultur.