In der letzten Zeit wurden alle wirklich spektakulären Kunstkäufe bzw. -verkäufe, von denen die Medien berichteten, über Kunstauktionen abgewickelt.
Wer sich durch diese Berichte anregen lässt und ebenfalls Kunst ersteigern oder versteigern möchte, wird sich für die Branche interessieren, zu allererst für die wichtigsten Auktionshäuser, zu denen seit sehr langer Zeit das Auktionshaus Christie’s gehört:
Das Auktionshaus Christie’s – ein berühmtes Urgestein der Branche
Christie’s ist ein Kunsthandelsgeschäft, das seinen Umsatz mit Privatverkäufen und mit seinem inzwischen fast legendären Auktionshaus für schöne und seltene Objekte macht. Christie’s ist eines der ältesten Auktionshäuser der Welt und momentan wohl auch das größte Auktionshaus der Welt: Im ersten Halbjahr 2012 tätigte das Auktionshaus Verkäufe von mehreren Milliarden US-Dollar, die größte Summe in der Geschichte des Unternehmens und zugleich die größte Summe im gesamten Kunstmarkt.
Der Grund dafür, dass dieses Auktionshaus zusammen mit seinem (noch etwas älteren) Counterpart Sotheby’s unweigerlich genannt wird, wenn nach den größten Auktionshäusern der Welt gefragt wird, geht sicher nicht unerheblich auf die ellenlange Historie des Unternehmens zurück:
Christie’s – ein Unternehmen mit jahrhundertealter Geschichte
Christie’s wurde von James Christie gegründet, über den nicht viel mehr zu erfahren ist, als dass er 1730 im schottischen Perth geboren und als reifer Mann ein guter Freund verschiedener Prominenter wurde: Er soll z. B. eng mit den Malern Thomas Gainsborough und Sir Joshua Reynolds und mit dem Schöpfer der gleichnamigen Möbelklassiker Thomas Chippendale befreundet gewesen sein.
Die vom Unternehmen offiziell verbreitete Literatur zur Unternehmensgeschichte beschreibt, dass James Christie am 5. Dezember 1766 seinen ersten Verkauf in London durchgeführte, vom Dezember 1766 ist auch der älteste erhaltene Auktionskatalog, dieses Datum gilt als offizielles Gründungsdatum.
Die Lust an der Veranstaltung von Auktionen hatte James Christie jedoch vermutlich schon ein wenig früher entdeckt, andere Quellen verbürgen die Anmietung von Auktionsräumen durch James Christie im Jahr 1762, sogar Zeitungsanzeigen von 1759 für Auktionstage bei Christie’s wurden gefunden.
Auf jeden Fall sollte es sich als gute Idee erweisen, das ländliche Schottland mit dem schon damals mächtigen Finanzzentrum London zu tauschen, James Christie konnte sein Auktionshaus bald als eines der führenden Kunsthandelshäuser etablieren. Das Zeitgeschehen spielte ihm in die Hände: Die französische Revolution zerstörte alles, was bisher Frankreich zur Führung im internationalen Kunsthandel verholfen hatte.
Da die Engländer ihre Monarchen bereits im englischen Bürgerkrieg rund anderthalb Jahrhunderte früher in die Schranken gewiesen hatten, erwies sich die englische Gesellschaft Ende des 18. Jahrhunderts als ziemlich “revolutionsstabil”, das nicht durch umstürzlerische Händel gefährdete London wurde zum neuen Zentrum des internationalen Kunsthandels.
Gegen Ende der Schaffensperiode des ersten Christie war er selbst berühmt für seine Kenntnisse wertvoller Kunst (sogar Katharina die Große vertraute seiner Expertise), und die Auktionsräume waren längst zum bekannten Versammlungsort für Händler, Sammler und Prominenz der Zeit geworden.
Nach dem Tod des Gründers übernahm sein Sohn James Christie II 1803 die Geschäfte und machte sich einen Namen als Experte für griechische und italienische Antiken.
1823 zog die Firma in die King’s Street Nr. 8 um, bis heute der europäische Hauptsitz. Nach dem Tod von James Christie II übernahmen dessen Söhne James Stirling und George Henry, die den Politiker und Juristen William Manson und nach dessen Tod seinen Bruder Edward Manson als Partner ins Geschäft aufnahmen.
Im Zuge des Verkaufs der in einem englischen Landsitz gesammelten Kostbarkeiten kam 1859 Thomas J. Woods, der kunstinteressierte Sohn des Verwalters, als Direktor hinzu, das Unternehmen wurde in Christie, Manson & Woods umbenannt.
1940 stand die Reorganisation zur Gesellschaft mit beschränkter Haftung an, auch um der immer noch übermächtigen Konkurrenz durch den Rivalen Sotheby’s zu begegnen, begann Christie’s über die Grenzen des United Kingdom hinaus zu expandieren: 1958 wurden in Rom, 1968 in Genf und 1969 in Tokio Büros oder Verkaufsräume eröffnet.
Der ewige Kampf mit Sotheby’s
1973 wurde Christie’s in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, blieb jedoch so sehr auf das europäische Kerngeschäft konzentriert, dass der erste Verkauf in den USA erst 1977 erfolgte, 13 Jahre später als Sotheby’s. Obwohl das Auktionshaus auch in der Folgezeit langsam aber stetig wuchs, hatte Christie’s 1989 erst 42 Prozent des Auktionsmarktes auf seiner Seite.
Nun unternahmen die Verantwortlichen einige riskante Anstrengungen, um Sotheby’s endlich dauerhaft von Platz 1 zu verdrängen: 1990 wurde die langjährige Preispolitik auf den Kopf gestellt, als Christie’s in seiner Mai-Auktion auf einmal einen Mindestpreis für eine Kunstsammlung garantierte.
1996 konnte Christie’s daraufhin Sotheby’s zum ersten Mal seit 1954 wieder in den Hintergrund drängen, leider blieben als Ergebnis dieser Geschäftspolitik die Gewinne weit hinter denen von Sotheby’s zurück: Christie’s machte von 1993 bis 1997 etwa 60 Millionen Dollar Gewinn vor Steuern, während Sotheby’s in diesen Jahren etwa 265 Millionen Dollar erwirtschaftete.
Christie’s verfolgte in den 1990er Jahren noch weitere Strategien, um Sotheby’s endlich abzuhängen, so bezahlte man 1993 10,9 Millionen Dollar für die Londoner Galerie Spink & Sons, um in deren Spezialgebieten “Orientalische Kunst” und “Britische Malerei” die Führung zu übernehmen, 1996 wurde für 3,3 Millionen Dollar die Galerie Leger dazugekauft, um sie mit Spink zu einer Galerie Spink-Leger zusammenzulegen. Das alles rentierte sich nicht, Spink-Leger musste 2002 geschlossen werden.
Um Sotheby’s auch im Immobiliensektor zu folgen, kaufte Christie’s 1995 die Firma Great Estates, das damals größte unabhängige Makler-Netzwerk in Nord-Amerika, das nun in Christie’s Great Estates Inc. umbenannt wurde. Am Ende des Jahres 1997 hatten all diese Bemühungen vermutlich zu viel Kosten verursacht, und Christie’s legte sich selbst auf den Auktionstisch, konnte aber auch nach zweimonatigen Verhandlungen mit einer Investmentfirma kein Gebot erreichen, das hoch genug war, um es zu akzeptieren.
Video zu Christie’s Auktionen von impressionistischen Kunstwerken und Modern Art in London vom 6. bis zum 8. Februar – es wurden unglaubliche € 185.057.306 erzielt
Deshalb konnte die Groupe Artémis SA, eine Holding im Besitz des französischen Milliardärs und Kunstsammlers François Pinault, im Mai 1998 die ersten 29,1 Prozent des Unternehmens für rund 243 Millionen Dollar erwerben, über den Rest wurde in der Folgezeit ein Deal vereinbart, mit dem das gesamte Unternehmen für eine Gesamtsumme von 1,2 Milliarden Dollar an Artémis ging.
Danach gab es erst einmal längere Zeit keine Gewinnberichte, obwohl zwei Auktionen im Jahr veranstaltet wurden, und erst nach schwierigen Anpassungen rund um die der Bilanzierungsregeln konnte Christie’s 2002 die erste Auktion in Paris veranstalten. Ein Rückschlag war sicher auch der Skandal über Preisabsprachen zwischen Christie’s und Sotheby’s im Jahr 2000, in dessen Folge beide Auktionshäuser eine Strafe von über 500 Millionen Dollar entrichten mussten.
Auktionsrekorde für Jean-Michel Basquiat, Jackson Pollock, Roy Lichtenstein wurden bei Christie’s am 15. Mai 2013 gebrochen, als 495 Millionen USD an zeitgenössischer Kunst in New York versteigert wurden (siehe Video)
Christie’s Verflechtung in den internationalen Kunsthandel
Wie Sotheby’s wurde auch Christie’s seit der Übernahme durch Artémis immer mehr in den Bereich des privaten Kunsthandels involviert, in dem es um richtig viel Geld geht: 2006 bot Christie’s der Donald Judd Foundation eine Verkaufsgarantie über 21 Millionen Dollar an und zeigte die Werke des Künstlers daraufhin fünf Wochen lang in einer Ausstellung, die später eine Auszeichnung für die „Best Installation in an Alternative Space“ bekam.
2007 vermittelte das Auktionshaus einen 68-Millionen-Dollar-Deal, mit dem Thomas Eakins’s Gemälde “The Gross Clinic” von 1875 vom Jefferson Medical College an die Thomas Jefferson University in Philadelphia überging, unter Beteiligung des Philadelphia Museum of Art und der Pennsylvania Academy of the Fine Arts, wo dieses zu den bedeutendsten Kunstwerken des 19. Jahrhunderts gehörende Werk nun abwechselnd gezeigt wird. Das geschichtsträchtige Bild sollte eigentlich nach Washington/Bentonville verkauft werden, durch dieses Geschäft konnte es den Bewohnern von Pennsylvania erhalten werden.
Im gleichen Jahr startete Christie’s mit Übernahme der Galerie Haunch of Venison einen Versuch, sich eine neue Plattform für ihr Privatkundengeschäft zu erschaffen, die auch gleich als Präsentationsmöglichkeit für das Auktionsgeschäft fungieren sollte.
Diese Galerie für zeitgenössische Kunst hatte sich seit 2002 einen Namen im Sekundärmarktgeschäft gemacht, hier wurden Werke berühmter Künstler wie Francis Bacon, Andy Warhol und Damien Hirst gehandelt. Ursprünglich wurde den Angestellten von Haunch deshalb der Auktionshandel bei Christie’s zur Vermeidung möglicher Interessenkonflikte und Marktmanipulationen verboten, diese Regel wurde jedoch bald wieder aufgehoben.
Christie’s behielt zunächst den Markennamen, Haunch arbeite zwischendurch aber wieder als unabhängiges Unternehmen, die letzten Nachrichten vom 28. März 2013 berichten von einer Zusammenlegung von Haunch of Venison und Christie’s London im Bereich des Privatkundenhandels.
Die Finanzkrise beutelt auch Christie’s
Im Dezember 2008 wurde in der “Sunday Times” berichtet, dass Pinault aufgrund seiner Verluste überlege, Christie’s wieder zu verkaufen, gerüchteweise sollen sich eine Reihe privater Beteiligungsunternehmen für den Erwerb des Auktionshauses interessiert haben.
Christie’s hat zu dieser Zeit weltweit 2.100 Angestellte und viele freie Mitarbeiter, von denen eine unbenannte Zahl bald dem Abschwung des Kunstmarkts in der Finanzkrise zum Opfer fällt, spätere Nachrichten berichteten vom Abbau von 300 Stammarbeitsplätzen bei Christie’s.
Ab Mai 2009 begann eine zweite Runde von Stellenstreichungen, als der Jahresumsatz von fast 740 Millionen Dollar auf rund 250 Millionen Dollar gefallen war.
Zu dieser Zeit verließen auch wichtige Geschäftsstützen wie Guy Bennett Christie’s , und während einige Sammler durch die Wirtschaftskrise zum Verkauf ihrer Kunstwerke angeregt wurden, waren viele nicht bereit, ihre Schätze zu Schnäppchenpreisen zu verkaufen. Die Verkaufsgerüchte sind noch nicht verstummt, Winter 2010 berichtet die Financial Times vom Interesse eines Scheichs aus Katar am Erwerb des Auktionshauses, Mitte 2012 kann man wieder Artikel über den Einstieg Katars bei Christie’s lesen.
2012 haben die Impressionisten wie schon in den 1980ern wieder die zeitgenössische Kunst als führende Kategorie bei Christie’s ersetzt, damit stiegen die Umsätze dieses Bereichs im ersten Halbjahr um über 50 Prozent und bescherten dem Haus das zu Beginn des Artikels erwähnte Rekordergebnis.
Es scheint überhaupt wieder aufwärts zu gehen, auch die seither nachfolgenden Auktionen erweckten den Eindruck, dass der internationale Kunstmarkt und mit ihm Christie’s sogar gestärkt aus der Wirtschafts- und Finanzkrise hervorgegangen sind. Das könnte an den zahlreichen Neukunden liegen, die ihr Geld lieber in Sachwerte als in undurchschaubare Finanzpapiere stecken, 2012 konnte Christie’s knapp 20 Prozent neue Bieter verzeichnen.
Heute ist Christie’s fast überall auf der Welt präsent
Der 1823 bezogene Verkaufsraum in der King Street in St. James’s, London, ist nach wie vor der Hauptsitz von Christie’s. 1975 kam ein zweiter Londoner Verkaufsraum in South Kensington dazu, der heute zu den weltweit aktivsten Auktionsplätzen gehört.
1977 eröffnete Christie’s eine Zweigstelle mit riesigem Verkaufsraum in der Park Avenue in New York, als der zu klein wurde, unterzeichnete Christie’s 1997 einen 30-Jahres-Vertrag über einen noch viel größeres Areal im Rockefeller Center.
1996 kaufte das Unternehmen ein Stadthaus in der East 59th Street in Manhattan, in dem Experten eine private Galerie zur Verfügung steht, um mit ihren Klienten Kunstwerke zu zeigen und in kompletter Abgeschiedenheit lukrative Verträge machen zu können. 1997 kam ein Verkaufsraum in Beverly Hills, Los Angeles, dazu und 2001 in New York Christie’s East, ein Verkaufsraum für kleinpreisigere Objekte in der East 67th Street.
Im Januar 2009 betrieb Christie’s bereits 85 Büros in 43 Ländern, die jedoch nicht alle Verkaufsräume haben. Die Liste enthält New York City, Los Angeles, Houston, Mexiko City, Paris, Genf, Amsterdam, Moskaus, Wien, Berlin, Rom, Mailand, Madrid, Buenos Aires, Singapore, Bangkok, Tel Aviv, Dubai und Büros in den Kunstzentren von Süd Korea, Japan, China, Australien und Hong Kong.
Ist Christie’s das richtige Auktionshaus für Sie?
Ist Christie’s also die richtige Wahl, wenn Sie vorhaben, sich von einem Kunstwerk zu trennen? An der Geschichte des Hauses lässt sich gut nachvollziehen, was genau den Ruf eines herausragenden Auktionshauses begründet: Wissen, Wissen und noch mehr Wissen über Kunst.
In den Zeiten, in denen Christie’s bei seiner Führung mehr auf Geschäfts- als auf Kunstkenntnis setzte, waren auch die Gewinne in Gefahr.
Sobald man wieder zur alten Linie der Kennerschaft zurückkehrte, setzte sich auch die Erfolgsgeschichte des Hauses fort: Am 5.05.2010 konnte Christie’s Picasso „Nackte, Grüne Blätter und Büste“ zu einem Preis von 106 Millionen Dollar verkaufen, der das Gemälde zum momentan wohl immer noch fünftteuersten Kunstwerk macht, das jemals verkauft wurde.
Allerdings schwebt Christie’s in Höhen, die das Auktionshaus für Kleinverkäufe nicht unbedingt empfehlen, und auch die Provisionen sind nicht zu unterschätzen. Momentan, 2013, zahlen Sie 25 Prozent auf die ersten 75.000,- Dollar, 20 Prozent für den Preis zwischen 75.001,- und 1,5 Millionen Dollar, und 12 Prozent auf alles, was darüber geht. Mit einem typischen “röhrenden Hirsch” werden Sie bei Christie’s also wahrscheinlich nicht viel Interesse erwecken.
Wenn jedoch ein bisher unerkanntes Schätzchen verkauft werden soll, sind Sie bei Christie’s vielleicht besser beraten als die Dame, die Herbst 2009 in einem regionalen Auktionshaus ihren geerbten Perserteppich verkaufen wollte: Er wurde vom regionalen Auktionator auf 900,- Euro geschätzt, brachte auf der Regionalauktion immerhin 19.700,- Euro ein – und ging im Frühjahr 2010 bei Christie’s in London für die Rekordsumme von umgerechnet 7,2 Millionen Euro weg.
Es handelt sich um einen Perserteppich aus dem 17. Jahrhundert, was der Auktionator des kleinen Hauses nicht erkannte, und laut nachfolgenden Richterspruch auch nicht erkennen musste, hier hätten Sie bei einer Begutachtung durch Christie’s wahrscheinlich bessere Karten gehabt.
Diese kleine Geschichte lehrt aber auch etwas, was grundsätzlich für jeden Verkauf über ein Auktionshaus gilt:
Unwissenheit schützt manchmal durchaus vor Strafe, zumindest den falschliegenden Experten, und der Kunde ist klug beraten, wenn er sich im Zweifelsfall von mehreren Fachleute beraten lässt.
Passionierte Autorin mit regem Kunstinteresse