Die moderne Welt des Wohnens hat schon zahlreiche minimalistische Stile kommen und gehen sehen. Aber da gibt es einen puristischen Interior Design Trend, der wohl nie wirklich aus der Mode kommen wird: Skandinavisches Interior Design, umgangssprachlich gerne auch als Scandi-Style, Skandi-Stil oder Skandi-Chic bezeichnet.
Dieser verbindet in nahezu perfekt anmutender Weise verschiedene Texturen, das Spiel mit Kontrasten, sanfte Farben, betont moderne und streng funktionale Möbel, und den Einsatz von natürlichen Materialien. Dabei schafft er es, eine heimelige und gemütliche Atmosphäre zu schaffen, die man bei einem eher puristischen und reduzierten Einrichtungsstil nicht per se erwarten würde.
Er erfüllt wie kein anderer Inneneinrichtungsstil unsere augenscheinlich gegensätzlichen Bedürfnisse nach Ordnung und Sauberkeit auf der einen und Behaglichkeit, Komfort und Gemütlichkeit auf der anderen Seite.
Kein Wunder also, dass Nordisches Design mal wieder einen wahrlichen Siegeszug rund um den gesamten Globus antritt. Auch wenn Sie vielleicht beim Gedanken daran kein konkretes und scharfes Bild vor Ihrem geistigen Auge haben, hatten Sie mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit schon Berührung mit dieser Stilrichtung.
So kommt man in den sozialen Medien, Design-Blogs und Fachmagazinen gar nicht daran vorbei. Die Vielfalt an Design-Tipps und Anregungen dazu ist kaum überschaubar. Auch beim Schlendern durch Möbel- und Einrichtungshäuser – und hier ist nicht IKEA gemeint – fällt einem die gestiegene Dominanz der Möbel und Einrichtungsideen aus dem europäischen Norden auf.
Was zeichnet Skandinavisches Design aus?
Wie bereits erwähnt ist das Kernmerkmal dieses Stils die Verbindung von moderner Eleganz, funktionalen Ansätzen, gemütlichen Akzenten und von der Natur inspirierten Elementen.
Eine Besonderheit, die wohl einen wichtigen Beitrag zur Popularität und Verbreitung dieses Wohntrends geleistet hat, liegt zudem in der simplen Ästhetik, die sich fast nahtlos mit nahezu jedem anderen Stil kombinieren lässt und außerdem zeitlos ist.
Schauen wir uns doch die einzelnen Merkmale ein wenig näher an.
Minimalistisches / Puristisches Credo
Schaut man genau hin, dann lassen sich schon Nuancen erkennen, die Skandinavisches Design von Trends wie Minimalismus, Modernismus und Zeitgenössischem Dekor abgrenzen. Nichtsdestotrotz kann man es getrost als minimalistisch bezeichnen, mit einem starken Fokus auf Einfachheit und Funktionalität.
Kein Durcheinander – klare Ordnung – Vermeidung von überflüssigen Elementen – funktional und auf das Wesentliche reduziert.
Niki Brantmark, die Autorin von „Lagom: The Swedish Art of Living a Balanced, Happy Life“ und Inhaberin des englischsprachigen Blogs My Scandinavian Home bringt den Nordischen Zugang zu Design folgendermaßen auf den Punkt:
Scandinavian design has a tradition of striving to ensure everyone has access to good design, not just the elite, she explains. „This is why you’ll see beauty in everyday pieces. IKEA is a good example of this.“
Übersetzt ins Deutsche sinngemäß:
„Skandinavisches Design hat eine Tradition, danach zu streben, dass Jedermann Zugang zu gutem Design hat, nicht nur die Elite. Das ist der Grund, warum man gestalterische Schönheit in Gegenständen des Alltags wiederfindet. IKEA ist ein gutes Beispiel dafür.“
Inspiration aus der Natur und Umwelt
Das erste Mal tauchte dieser Trend in den 30er-Jahren des letzten Jahrhunderts auf. Richtig populär wurde er dann in den 50er-Jahren. Maßgeblich beigetragen hat dazu eine Design-Show, die zwischen 1954-1957 durch die USA und Kanada tourte und Arbeiten von Nordischen Designern vermarktete.
Betont wurden einfache Muster und Styles, die aus der regionalen Natur und Umwelt inspiriert waren. Den Menschen gefiel rasch die einfache Ästhetik und Schönheit, die dadurch in ihren Alltag Einzug hielt.
Die enge Beziehung zur Natur findet sich auch in der Auswahl der Materialien wieder. So wird gerne Holz, Stein, Felle, Wolle und Ähnliches verwendet. Auch die Kombi mit Industrial-Elementen aus Eisen oder Stahl findet man immer wieder – so etwa bei Beleuchtungen oder Schränken. Auch Holzregale zählen dazu.
Ein solches Beispiel ist etwa das Rackbuddy John Holzregal mit Beschlägen aus silbernen Rohren. Helles Kiefernholz in Kombi mit den galvanisierten Eisenbeschlägen ist definitiv vom nordischen Stil geprägt und unterstreicht einen Nordischen Look – mit einer Prise Industrial Chic.
Verbesserungen für das tägliche Leben
Es liegt in der DNA des Scandi-Styles, das tägliche Leben der Menschen positiv zu verändern. In den Nordischen Ländern müssen die Einwohner in den Wintermonaten oft mit weniger als sieben Stunden Tageslicht auskommen. Da liegt es nahe, dass Beleuchtung bei der Inneneinrichtung eine elementare Rolle spielt. Das spiegelt sich auch im Skandi-Stil wider.
Außerdem werden Sie wohl keine ausladenden Teppiche oder Teppichböden vorfinden. Räume sollen durch natürliche Böden (oft aus Holz) oder weiße Bodenbeläge heller und freundlicher wirken.
Das Mobiliar ist streng funktional, hat einen modernen und schnörkellosen Look und oft den Zweck, Raum möglichst effektiv zu nutzen. Jetzt wundert es mich auch nicht länger, dass IKEA-Möbel vor allem in kleinen Studentenbuden vorzufinden sind. Fenster werden übrigens im Skandi-Chic nicht oder nur sehr dezent verhängt oder umrahmt. So gelangt das Maximum an Licht in die Räume. Ein charmanter Nebeneffekt ist, dass man Vorhänge nicht aufwändig entstauben und reinigen muss.
Texturen gegen zu viel Kahlheit
Der Einsatz von Texturen, Mustern und unterschiedlich beschaffenen Oberflächen belebt größere Flächen und sorgt dafür, dass diese spannend in Szene gesetzt werden. So wird verhindert, dass die Wohnung am Ende kahl, leer oder zu sachlich daherkommt.
Auf diese Weise braucht man die Wohnung nicht mit viel Nippes und unnötigen Deko-Accessoires vollstellen. Der Scandi-Style kommt weitestgehend ohne dekorative Gegenstände aus.
Häufig findet man auch textile Materialien wie Schafsfell, Wolle und Mohair in skandinavischen Interieurs. Eine Notwendigkeit in kalten Gefilden, schaffen sie auch bei uns eine wohlige und heimelige Atmosphäre. Eine Regel des Skandi-Stils besagt: jedes Element soll nicht nur dekorativ sein, sondern vor allem einen konkreten praktischen Nutzen bringen.
Zurückhaltende Farbgebung mit sorgfältig gesetzten Akzenten
Die vorherrschenden Farbpaletten sind neutral, sanft und zurückhaltend. Keine bunten Farbmischungen oder grell-poppigen Inszenierungen.
Helle, pastellige Töne bilden die Grundlage – gemischt mit Farbakzenten aus der Natur wie Sand, Erdtönen, dunklem Grün, Blau und allen Schattierungen von Grau und Braun.
Dieser Einsatz von reduzierten Farben wirken beruhigend auf unseren Geist. Eine Wohltat und Oase der Entschleunigung in einer immer hektischer werdenden Welt.
Hygge ist eine Lebenseinstellung
Hygge – so heißt Gemütlichkeit in Dänemark. Gerne auch als das dänische Rezept für Glück bezeichnet, das wir uns als Vorlage nehmen, um es uns in der kälteren Jahreszeit drinnen so richtig heimelig zu machen.
Seit 2016 hört man diesen dänischen Begriff immer öfter. Häufig wird er mit einem Designtrend gleichgesetzt, was aber deutlich zu kurzfasst. Bei Hygge handelt es sich schließlich um eine Lebenseinstellung, ein Lebensgefühl ein Konzept für das tägliche Leben.
Folglich hat es auch eine große Auswirkung auf sämtliche gestalterische Prozesse – nicht zuletzt im Interior Design. Es liegt somit dem Skandi-Stil zugrunde, ist aber kein Synonym dafür.
Alles eine Frage der Balance
Ähnlich wie beim dänischen Hygge, haben auch die Schweden ein Wort, welches das Nordische Design stark beeinflusst: Lagom. Es bedeutet, nicht zu wenig, nicht zu viel. Es geht also um Balance und die Herstellung eines Gleichgewichts.
Umgemünzt auf unsere Bedürfnisse beim Gestalten unserer Innenräume hält uns Lagom also dazu an, ein ausgeglichenes Verhältnis von Minimalismus und Gemütlichkeit, von Alt und Neu, Kühle und Wärme anzustreben. Nur so entfaltet sich dann eine entspannte Atmosphäre und beruhigende Wirkung.
Zeitlose Optik
Der Scandi-Charme verzaubert uns nun schon seit über 80 Jahren. Das wäre ihm nicht gelungen, hätte er nicht ein solch zeitloses Design. Die Schönheit des Skandinavischen Designs ist unglaublich vielfältig einsetzbar und kombinierbar, ganz zu Schweigen vom praktischen Aspekt.
Saubere und geradlinige Formen, dezente Farben, organische Formen und Texturen. Ein hervorragendes Fundament, um mit anderen Stilen darauf aufzubauen und seine eigene, individuelle Note mit einzubringen.
Zahlreiche Anregungen und herausragende Einrichtungsbeispiele Skandinavischen Stils finden Sie übrigens in folgenden Beiträgen von uns:
- Harmonie durch Minimalismus: Was ist skandinavisches Wohndesign?
- Farbenfrohes Nordic Design – Scandi Stil mit Color-Upgrade
Inhaber und Geschäftsführer von Kunstplaza. Publizist, Redakteur und passionierter Blogger im Bereich Kunst, Design und Kreativität seit 2011. Erfolgreicher Abschluss in Webdesign im Rahmen eines Hochschulstudiums (2008). Weiterentwicklung von Kreativitätstechniken durch Kurse in Freiem Zeichnen, Ausdrucksmalen und Theatre/Acting. Profunde Kenntnisse des Kunstmarktes durch langjährige journalistische Recherchen und zahlreichen Kooperationen mit Akteuren/Institutionen aus Kunst und Kultur.