Der Begriff Konzeptkunst taucht überall auf, wo es um Kunst geht, und nicht wenige der bekanntesten Künstler unserer Zeit sind Konzeptkünstler. Und doch ist sie keine Kunst, der man sich schnell und einfach annähern kann, wie im „Art-o-Gramm: Was ist eigentlich Konzeptkunst?“ gedanklich angerissen wurde.
Der Blick auf einige bekannte Konzeptkünstler und ihre Werke eignet sich sehr gut, um die Vielfalt der Konzeptkunst anzudeuten und um eine Ahnung davon zu vermitteln, wie viel Spaß diese Kunstrichtung bringen kann:
Konzeptkunst als die Kunst der Vielfalt
Marcel Duchamp wird als ihr Mitbegründer gesehen, vor allem deshalb, weil er das erste Ready-made in die Kunst einführte, den „Roue de bicyclette“ (ein auf einem Hocker installierter Fahrrad-Reifen). Ein Ready-made ist ein nicht vom Künstler geschaffenes, sondern von ihm lediglich und ohne jedes ästhetische Vorurteil zum Kunstwerk bestimmtes Alltagsobjekt.
Duchamp kam auf die Idee, als er 1912 bei der Luftfahrtschau in Paris die technischen Innovationen bewunderte und daraufhin zu seinem Künstlerfreund Constantin Brâncuși sagte:
„Die Malerei ist am Ende. Wer kann etwas Besseres machen als diese Propeller? Du etwa?“.
Er gab daraufhin die Malerei auf und ergriff den Fahrrad-Reifen. 1914 folgte das Ready-made „Flaschentrockner“, ein in Massenfertigung hergestellter Gebrauchsgegenstand, der erst durch Duchamps Auswahl zum Kunstobjekt, durch seine Duchamps Geste des Signierens seine Bedeutung bekam, und der Zeitpunkt dieser Geste wird seitdem als die Geburtsstunde der Konzeptkunst gefeiert.
Der berühmte Konzeptkünstler Bruce Nauman arbeitet mit den unterschiedlichsten Materialien, Fotografien und Installationen, Plastiken und Neonkunst und Videos. Ihm geht es vor allem darum, die menschliche Sinneswahrnehmung zu irritieren und gerne auch zu schockieren, wenn er z. B. einen Opernsänger auf dem Bildschirm um die eigene Achse routieren lässt, der ebenso andauernd wie verzweifelt einen verstörenden Sprechgesang intoniert: „Feed me / Eat me / Anthropology“ und „Help me / Hurt me / Sociology“ – „Fütter mich / Iss mich / Anthropologie“ und „Hilf mir / Verletz mich / Soziologie“ (Videoinstallation „Anthro/Socio – Rinde Spinning“, auf der documenta IX 1992 auf mehreren Bildschirmen und mit übereinanderliegenden Tonspuren abgespielt).
Der Wort-Erfinder der Konzeptkunst, Sol LeWitt, schafft lieber Räume, entweder, indem er Skulpturen baut, die sich wie natürliche und doch überraschende Teile in eine Landschaft einfügen, wie z. B. die „Black Form Dedicated to the Missing Jews“, ein schwarzer Quader vor dem strahlend weißen Rathaus von Hamburg Altona. Oder indem er eine Wand so bemalt, dass sie wie eine Skulptur wirkt, oder beides gleichzeitig, und öfter führt LeWitt seine Arbeiten auch in Serien aus, unter Nutzung der verschiedensten Medien: Zeichnungen und Aquarelle, Wandzeichnungen und Wandbilder, Skulpturen, Drucke und Bücher.
Ebenfalls zu den prominenten Konzeptkünstlern gehört Lawrence Weiner, der auch theoretisch etwas beizusteuern hatte, nämlich die Declaration of Intent von 1968, in der er die Grundsätze der KK sinngemäß wie folgt zusammenfasst: Der Künstler kann das Werk selbst herstellen, es kann aber auch von Helfern angefertigt werden oder braucht überhaupt nicht ausgeführt zu werden, das alles ist gleichwertige Verwirklichung des Konzepts; wie tatsächlich vorzugehen ist, hängt von den Umständen ab.
Weiner hat seitdem Künstlerbücher mit weiteren theoretischen Beiträgen zur Konzeptkunst verfasst, Schrift-Kunstwerke zur Präsentation seiner Textarbeiten in verschiedensten Formen vorgelegt, die er als Skulpturen bezeichnet, viele Wand-Installationen geschaffen und viele andere Konzeptkunstwerke, als Videokunst oder als Film, als Audioaufnahme oder Performance, als Plakat, Multiple oder Grafik. Weiner mag keine Ungleichheit, was in seinen Kunstwerken auch immer wieder zum Ausdruck kommt, überhaupt ist dem „Bildhauer der Sprache“ am Wichtigsten das (kritische) Wort, ohne Sprache ist es seiner Meinung nach keine Kunst möglich.
Der chinesische Konzeptkünstler Ai Weiwei ist sehr viel entschiedener politisch motiviert, er kritisiert in seinen Kunstwerken Menschenrechtsverstöße, Umweltverschmutzung und wirtschaftliche Ausbeutung, die in China seit der wirtschaftlichen Öffnung des Landes an der Tagesordnung sind. Er verarbeitet künstlerische Traditionen seiner Heimat, aber auch auf Duchamp zurückgehende dadaistische Ideen in seinen Installationen und Photographien, Bildern, Büchern, Skulpturen, Filmen und Häusern.
Die 2008 verstorbene Amerikanerin Eugenia Perpetua Butler hatte sich nach dem Kunststudium erst fast ein Jahrzehnt mit Schamanismus beschäftigt, bevor sie Ende der 1960er Jahre zur Conceptual-Art fand, sie war auf vielen wichtigen Ausstellungen in den Anfängen der Konzeptkunst vertreten und hat von dort aus eine lange Karriere gestartet, mit einfachen und doch geheimnisvoll interessanten Kunstwerken, mit deren Hilfe sie die Feinheiten der menschlichen Wahrnehmung und Raum-Zeit-Beziehungen in Frage stellte. Das war ihr Plan, Butler wollte mit ihrer Kunst vor allem Nachdenklichkeit und Diskussionen provozieren.
Der US-amerikanische Konzeptkünstler John Baldessari arbeitet ebenfalls viel mit Sprache und stellt diese in die unterschiedlichsten Beziehungen zu stehenden und laufenden Bildern, in Fotoarbeiten, Collagen, Cut-Ups und Videoperformances. Sein liebstes Thema sind die Medien und ihre Mechanismen, sein Motto, nie einem Zuschauer zu langweilen.
Der in Südkorea geborene Amerikaner Nam June Paik ist der Konzeptkünstler der Video- und Medienkunst, schuf aber auch so unglaublich witzige Skulptur wie den „Pre-Bell-Man“, der vor dem Museum für Kommunikation in Frankfurt am Main steht.
Die deutsche Konzeptkünstlerin Cosima von Bonin arbeitet gerne mit Textilien, hat aber auch Filme und Installationen vorgelegt und Kunstwerke, in denen es um die Gesellschaft und um soziale Beziehungen geht. Sie arbeitet auch mit Musikern zusammen, mit Wechselwirkungen zwischen den jeweiligen Kunst-Produkten.
Der amerikanische Konzeptkünstler Dan Graham wiederum verführt und entführt sein Publikum lieber, in erlebnisreiche und doch kleine begehbare Kunstwerke von der Größe eines Pavillons, die inzwischen in der ganzen Welt zu finden sind und in denen die Wahrnehmungssinne auf durchaus überraschende Weise angesprochen werden.
Auch Joseph Beuys wird übrigens zu den Konzeptkünstlern gezählt, und neben den Werken, die er als Bildhauer, Zeichner und Aktionskünstler vorgelegt hat, hat sich Beuys mit Humanismus, Sozialphilosophie und Anthroposophie beschäftigt.
Typisch Konzeptkunst: Weiter Interpretationsspielraum
An Beuys zeigt sich sehr gut, wie schwer diese Kunstform zu verstehen sein kann, weil dieses Verständnis voraussetzt, dass der Rezipient sich wirklich mit dem Hintergrund des Kunstwerk und des Konzeptkünstlers beschäftigt. Insgesamt führt der obige Überblick aber auch zu der vielleicht eher erleichternden Erkenntnis, dass eine Einordnung eigentlich nicht sehr gut möglich ist.
Damit kommen all jene „zum Zuge“, die ohne die „Klassifizierung von Kunst“ leben können – im Umkehrschluss kann man nämlich auch sagen: Eine Einordnung ist auch überhaupt nicht nötig, Konzeptkunst lässt sich sehr gut ohne vorherigen theoretischen Überbau betrachten.
Aber eines wird bei diesem kleinen Rundgang durch diese Art der Kunst auch ziemlich klar: Vermutungen anzustellen, „was der Künstler uns damit sagen will“, lohnen sich in jedem Fall, und Konzeptkunst ist sehr häufig hintergründige, spannende und anregende Kunst, bei der die nachfolgende Beschäftigung mit dem Künstler weitere überraschende Erkenntnisse bringen kann.
Die Bedeutung der Konzeptkunst
Um deren Bedeutung im Gesamtfeld der Kunst zu erfassen, gehört sie in Beziehung gesetzt zu der Kunst, die anderen Kunststilen zugeordnet wird. Von diesen Kunststilen gibt es viele, mindestens dreistellige Zahlen von Kunststilen von Aeropittura bis Zackenstil werden in der Kunstwissenschaft unterschieden.
Wenn wir den Erfolg der Konzeptkunst in der gesamten Welt der Kunst beurteilen möchten, könnte man z. B. fragen, welchen Stellenwert die Konzeptkünstler innerhalb der weltbekannten und wirtschaftlich erfolgreichen Künstler einnehmen, die (aus allen Kunststilen) in den internationalen Rankings auftauchen, z. B. in der Liste von Artfacts.net mit den 500 erfolgreichsten Künstlern der Welt.
Konzeptkünstler, die so bekannt sind, dass sie in internationalen Medien auftauchen, gibt es so etwa 250 bis 300 in der Welt. Davon sind 65 Künstler in der Künstlerliste von Artfacts vertreten, also rund ein Viertel. Dieser hohe Anteil an Konzeptkünstlern in der „Weltbestsellerliste der Kunst“ gegenüber allen in anderen Kunststilen arbeitenden Künstlern spricht für einen überdurchschnittlichen Erfolg.
Schaut man sich die Liste der 500 Besten näher an, ergibt sich ein erstaunliches Ergebnis: Der Anteil der Konzeptkünstler unter den 200 bestbezahlten Künstlern der Welt beträgt fast 20 Prozent, unter der Gesamtheit der 500 jedoch nur etwas über 10 Prozent. Zumindest finanziell gesehen ist die „Konzeptkunst fürs Eigenheim“ also eher etwas für die Schwerreichen in dieser Welt, und es bliebe wahrscheinlich zu untersuchen, wie viele dieser Konzeptkunstwerke als Spekulationsobjekte ausufernder Finanzsysteme dienten.
Da ist es nur gut, dass es so viel Kunst dieser Art fürs eigene Heim ohnehin nicht gibt, und sehr viele Kunstwerke von Konzeptkünstlern im öffentlichen Raum zu betrachten sind, also kostenlos für Jedermann …