Pablo Picasso liegt bis heute vorne in der Kunst, in der Wertschätzung vieler Kunstkenner und in der Wertschätzung vieler Kunstliebhaber, und in den Verkäufen auch, im Auktionsjahr 2013 (40 Jahre nach seinem Tod) gehörte er zu den umsatzstärksten Künstlern.
Das ist seit langer Zeit so, schließlich hat er ja auch lange Zeit „Kunst geschaffen“ (ein einfaches „gemalt“ reicht bei Picasso eben nicht, weil er nicht nur gemalt hat, sondern auch noch ganz andere Kunstwerke angefertigt hat).
Alles, was der kubistische Künstler angefasst hat, war gut, außergewöhnlich gut, und wer sich mit ihm befasst, will irgendwann wissen, warum das so ist, man scheint ja von seiner Art der Annäherung an ein Thema oder eine Berufung durchaus etwas lernen zu können.
Kann man, zum Beispiel, warum eine gute Ausbildung die beste Grundlage ist, um in „seinem Fach“ nicht nur gut zu werden, sondern auch eigene, unabhängige Beurteilungskriterien zu entwickeln und seinen Wissensbereich selbst denkend weiter zu entwickeln:
Picasso zeigte früh Anlagen für eine Begabung zum Malen und Zeichnen, er soll bereits als Kleinkind jede Sandfläche genutzt haben, um Bilder in den Sand zu malen. Das machen zwar mehrere Kleinkinder, aber in Bezug auf eine frühe Förderung seiner Begabung hatte Picasso erst einmal einfach Glück: Sein Vater war Maler und auch als Kunst- und Zeichenlehrer an einer Kunstgewerbeschule tätig, er erkannte die Begabung seines Sohnes recht bald und nahm sich des Talents früh an.
Es ist sicher schon ein außergewöhnliches Sprungbrett, wenn ein begabtes Kind Eltern hat, die genau in dem Metier arbeiten (und auch noch lehren), in dem das Kind seine Begabung aufweist.
Eine solche Chance des Schicksals ist noch nicht einmal bei Kindern selbstverständlich, deren Eltern die direkte postnatale Talentförderung in fast hysterischem Maße praktizieren. So war es bei ihm übrigens nicht, der kleine Pablo begann zwar früh, unter Anleitung seines Vaters zu malen, durfte allerdings vorher noch eine gute Zeit „Kind sein“, die Frühförderung im Babyalter war Ende des 19. Jahrhunderts noch nicht erfunden.
So durfte Picasso ganz in Ruhe spielen, bis er 7 Jahre alt war, erst dann begann sein Vater, ihm Anleitung beim Malen zu geben. Mit Erfolg, das erste respektable Ölbild ist vom neunjährigen „Pablito“ überliefert.
Der 1890 fertiggestellte „El pequeño picador“ (Der kleine Picador) zeigt einen Stierkämpfer in der Arena – Pablo war von seinem Vater schon als kleines Kind zu Stierkämpfen mitgenommen worden, dieses typisch spanische „Initiationsritual in die Welt der Männlichkeit“ hat dazu geführt, dass der Künstler sein Leben lang von Stierkämpfen fasziniert war.
Der „kleine Picador“ war wahrscheinlich der Ausdruck einer geheimen Wunschvorstellung des kleinen Pablo, er ist in Relation zu seinem Pferd überproportional groß dargestellt, und das Pferd sieht überhaupt ein wenig ärmlich und ein wenig „schwerfüßig“ aus.
Aber die Gesichter des Publikums im Hintergrund, und vor allem die Tatsache, dass der Neunjährige völlig problemlos einen räumlichen Hintergrund erschuf, lassen schon ahnen, dass sich hier ein unglaubliches Talent auf den Weg macht (zum Ansehen: pablo-ruiz-picasso.net/work-261.php).
Ein Jahr später zog die Familie Ruiz-Picasso um, an das entgegengesetzte Ende Spaniens, ganz in den äußersten Nordwesten nach La Coruña in Galicien, sein Vater hatte eine Stelle als Kunstlehrer am „Instituto da Guarda“ angenommen. Das Instituto da Guarda war eigentlich eine Schule für Kunst und Handwerk, an der nur Frauen unterrichtet wurden, der erst zehnjährige Nachwuchskünstler wurde jedoch auf Betreiben seines Vaters an dieser Schule für Bildende Künste aufgenommen.
Mit 13 Jahren war der junge Künstler bereits selbstbewusst genug, dass er seine Werke signierte, noch ganz auf den Vater ausgerichtet war „P. Ruiz“ (mit dem väterlichen Nachnamen) Picassos erste Signatur.
Wer war eigentlich Picasso? | Galileo (Video)
Picassos Emanzipation zum selbst bestimmten Künstler
Im Januar 1895 wurde Picassos Familie von einem schweren Schicksalsschlag erschüttert, seine Schwester Conceptión starb mit nur 7 Jahren an der Infektionskrankheit Diphterie. Als Reaktion darauf (und wie vermutet wird, auch als Reaktion auf die bereits klar zu Tage tretende, ihn überflügelnde Begabung seines Sohnes) gab sein Vater die Malerei auf und ließ sich versetzen, an das entgegengesetzte Ende von Spanien, an die Escola de la Llotja (Escola d’Arts i Oficis de Barcelona, Kunstgewerbeschule Barcelona) ganz im Nordosten.
Picasso kann (sicher außer der Reihe) mit 14 Jahren zur Aufnahmeprüfung an dieser Kunstakademie antreten, die er mit einer Bravour bestand, die seine Umgebung in sprachloses Erstaunen versetzte.
Er durfte die ersten zwei Klassen überspringen und wurde sofort mit dem Stoff für Fortgeschrittene konfrontiert: Das formvollendete Nachempfinden der Bilder der „alten Meister“, in diesem Fall der Werke der spanischen Maler des 17. Jahrhunderts.
Picasso konnte diese Werke perfekt nachmalen, in einigen der um 1895 entstandenen Bilder sah man deutliche Anklänge an die Meisterschaft eines Francisco de Zurbarán und des frühen Diego Velázquez, beides legendäre spanische Bildkünstler des 17. Jahrhunderts.
1896 wurde sein Gemälde „Die Erstkommunion“ in Barcelona ausgestellt und in der Presse bewundernd besprochen, Picassos Porträt Philippe IV. (nach Velázquez, 1897 beendet) erregte Aussehen, seine erste große Komposition „Wissenschaft und Nächstenliebe“ (1897), eine Variation der damals so beliebten Historienmalerei, räumte Preise in Kunstausstellungen in Madrid und Málaga ab.
Das „Flair des Wunderkinds“ brachte dem Kubisten mit 15 sein erstes eigenes Atelier ein (eingerichtet vom Vater, in der Nähe der elterlichen Wohnung), der frühe Ruhm interessierte ihn jedoch ebenso wenig wie die weitere Kopie der realistischen Altmeister, mit 16 hatte er genug von alldem und ging zum Studium nach Madrid, an die Königliche Akademie von San Fernando, der damals angesehensten Kunstschule des Landes.
Der Kubist war zu dieser Zeit bereits dem eigenen Stil auf der Spur, die Malerei des Vaters (akademischer Realismus) wurde mit den Worten abgetan: „Mein Vater malte Bilder für Esszimmer; Rebhühner oder Tauben, Tauben und Kaninchen“ (Jaime Sabartés: Picasso. Gespräche und Erinnerungen, Die Arche, Hamburg, 1992, S. 13.).
Auch die Königliche Kunst-Akademie sollte er bald wieder verlassen, die Lehrmethoden missfielen ihm, die Museen und die Künstlerlokale der Hauptstadt waren interessanter.
Nach einer Zwangspause wegen Krankheit ging Picasso 1898 nach Barcelona zurück, hier traf er die avantgardistischen Künstler Spaniens, hier wurde im Café, Kabarett und Künstlertreff „Els Quatre Gats“ (Die vier Katzen, katalanisch) Picassos erste Einzelausstellung gezeigt, im Februar 1900 (eher kritisch besprochen und noch kein riesen Verkaufserfolg).
Er bildete seinen Stil jedoch unbeirrt weiter, bis 1907 durch viele Reisen, nach Paris zur Weltausstellung und zwischen Paris, Madrid und Barcelona hin und her.
Er lernte Künstler und Kunsthändler und Galeristen kennen und begann seine „Blaue Periode“. Die Fach- und Geschäftsleute des Kunstbetriebs erkannten das Talent des jungen Künstlers, 1901 fand Pablo Picassos erste Pariser Ausstellung statt, die Bilder der Blauen Periode kamen auch bei den Kritikern besser an als seine frühen Bilder.
Bloß der große Verkaufserfolg blieb immer noch aus, im Winter 1902 malte er mit Lampenöl und heizte mit Zeichnungen, weil Geld für Ölfarbe (Bindemittel) und Kohlen fehlte. Bis er 1905 „entdeckt“ wurde, in Paris und vom amerikanischen Kunstsammler Leo Stein, Bruder der legendären Schriftstellerin und Kunstsammlerin Gertrude Stein, die auch bald Interesse an seinem Werk zeigte.
Damit stand Picasso der Weg zum „Salon“ der Steins offen – an festen Tagen stattfindende Gesellschaften, auf denen sich die wichtigen Pariser Künstler trafen, und Galeristen kamen natürlich auch gerne vorbei. Der Pariser Galerist Vollard kaufte dem spanischen Künstergenie Werke für 2000 Franc ab, wovon man damals eine ganze Weile leben konnte.
Aus der Blauen Periode (begonnen mit dem Tod eines Freundes) wurde die Rosa Periode, in der blaue Melancholie verschwindet, Harlekins, Gaukler, Seiltänzer tauchen auf. Vielleicht geht die nicht genau zuzuordnende Redewendung von der „rosaroten Brille“ in Wirklichkeit auf Picasso zurück? Allerdings entstammen seine Komödianten der eher tragischen Commedia dell’arte, und das waren durchaus traurige Spaßmacher.
Die konsequente Suche nach dem eigenen Stil trägt Früchte
Ab Winter 1906 bereitete er in rund 800 Studien seinen ersten ganz großen Wurf vor – das Juli 1907 vollendete Gemälde „Les Demoiselles d’Avignon“. Das Bild ist knapp sechs Quadratmeter groß und zeigt mehrere nackte Frauen, der Malstil trägt deutlich kubistische Züge. Dieses Bild leitete Picassos „période nègre“ (schwarze Periode) ein.
Die bisherigen Unterstützer hatten nicht viel Verständnis für das „unmoralische Bild“, nur der junge deutsch-französische Galerist Daniel-Henry Kahnweiler, der gerade in Paris seine erste Galerie eröffnet hatte, konnte mit dem aufkommenden Duft des Kubismus etwas anfangen. Er wurde Picassos wichtigster Förderer und stellte von nun an seine Werke aus.
Gegen Ende dieses entscheidenden Jahres lernte Picasso Georges Braque kennen, eine Bekanntschaft mit gewaltigen Auswirkungen auf den weiteren Verlauf der Kunstgeschichte: Braque und Picasso malten den Sommer 1908 über getrennt, schufen jedoch vom gleichen Geist beseelte, sich sehr ähnliche Bilder, für die bald der Begriff Kubismus in der Kunstkritik aufkam.
Picasso und Braque (die bis Mai 1909 fast unzertrennlich waren) und Kahnweiler erarbeiteten nun die Grundzüge der kubistischen Malerei, 1911 stieß der spanische Maler Juan Gris zu ihnen, die Freunde sollten noch viele weitere Künstler der Zeit beeinflussen, wie Fernand Léger und Robert Delaunay, die sich mit Albert Gleizes, Jean Metzinger, Henri Le Fauconnier und anderen 1911 zur kubistischen „Groupe de Puteaux“ zusammentaten.
Diese Kubisten-Gruppe stellte im Frühjahr 1911 im Salon des Indépendants aus, ein Durchbruch des Kubismus in die Öffentlichkeit. In der folgenden öffentlichen Diskussion über Kubismus wurden auch die Werke Picassos und Braques in der Pariser Szene überaus bekannt.
Ein angenehmer Nebeneffekt für die Galeriekubisten Picasso und Braque, die von den „Salonkubisten“ nichts wissen wollten, ihnen noch nicht einmal Zutritt zu ihren Ateliers gewährten?
Zweifelhaft, die beiden Richtungen der Kubismus stritten heftig, bis in Serien von Presseberichten und politische Gremien hinein, und Picasso war sowieso gut genug, um seinen ganz eigenen Kubismus zu entwickeln.
Parallel zu diesem Pariser Kunstkrieg eroberte Picasso nämlich längst die Welt, andere Kunstzentren traten dem Künstler sehr interessiert entgegen: Vor dem Ersten Weltkrieg war er mehrfach in Deutschland, England und den USA zu sehen und rief in großen Teilen der Avantgarde-interessierten Kunstwelt Begeisterung hervor.
Damit hatte er es in Bezug auf die Wahrnehmung als Künstler geschafft. Der europäische Kunstbetrieb, mit Deutschland als einem der Zentren, wurde zwar durch die Weltkriege und die unstete Zeit dazwischen eklatant ausgebremst, aber nach dem Zweiten Weltkrieg ging es schnell wieder los mit der modernen Kunst, in all ihren Erscheinungsformen, und er war nun mitten drin im internationalen Geschehen in der modernen Kunst:
Zunächst war er 1950 auf der 25. Biennale in Venedig zu sehen, dann 1955 auf der documenta 1 in Kassel und 1959 auf der documenta 2. So ging es weiter, 1960 war er auf der 30. Biennale Venedig, 1964 auf der documenta 3, 1976 bei der 37. Biennale Venedig, 1977 auf der documenta 6, 1978 auf der 38. Biennale Venedig.
Picasso hört nie auf, sich zu entwickeln
Die gerade genannten waren nur ein paar der wichtigsten Ausstellungen von Picasso, auch in seiner Lebenszeit gab es viel mehr. Bei den drei letztgenannten war der Künstler bereits verstorben, aber sein Werk begann gerade erst, seine Wirkung zu entfalten. Den „paar Ausstellungen“ zu Lebzeiten stehen bis jetzt rund 2.000 Ausstellungen post mortem gegenüber, in allen alten und allen inzwischen neu entstandenen Zentren der zeitgenössischen Kunst, über die ganze Welt.
13 Tage im Leben von Pablo Picasso (1.Teil)
Ein Film von Pierre Daix, Pierre Philippe, Pierre-André Boutang 1999: „In 13 Kapiteln zeigt dieser sehenswerte Dokumentarfilm Wendepunkte im Leben und Schaffen von Pablo Picasso. Zeitzeugnisse, Archivmaterial und bislang unveröffentlichte Dokumente lassen dabei den Menschen und Künstler vor dem Hintergrund seiner Epoche lebendig werden.“
Diesen und alle weiteren 12 Teile dieser Dokureihe finden Sie in der Youtube-Kanal-Playlist von moriundmori – Kunst-Dokus
Seine gute Ausbildung ist sicher einer der Gründe dafür, warum Picasso die Kunstliebhaber nach wie vor fasziniert. Aber das allein ist es nicht, dazu kommt zunächst die unheimliche Breite seines Werks, Picasso modellierte und schuf Skulpturen, produzierte Druckgrafiken und Gebrauchsgrafik, zeichnete Plakate und Buchillustrationen, entwarf Bühnenbilder und Kostüme, fertigte Keramik, dekorierte Teller und Platten, schrieb Gedichte und Theaterstücke, und erfand nebenbei noch schnell einmal was, eine neue Tonmasse und fotografische Lichtmalerei beispielsweise.
Bei den Kubisten ist Picasso natürlich auch nicht stehengeblieben, es gab bei ihm die Rückkehr zu klassischen Traditionen und eine lange Auseinandersetzung mit dem Surrealismus, die künstlerische Verarbeitung der ihn erschütternden Kriege führte zum berühmtesten Antikriegsbild überhaupt, und sein Spätwerk interpretiert die Kunst der alten Meister neu, fügt ihr Witz und Ironie hinzu und probiert darüber hinaus alles aus, was in seiner Reichweite liegt.
Mehr zu dieser unglaublichen Vielfältigkeit des großen Künstlers können Sie im Artikel „Art-o-Gramm: Picasso – Berühmte Kunst und ihr Geheimnis“ lesen.
Die nächste Komponente darf auch nicht vergessen werden, Picasso hatte in seinem Leben einfach unglaublich viel Zeit, Kunst zu schaffen. Er war seit der Vollendung seines ersten Jahrzehnts lebenslang und ständig tätig, und der spanische Maler wurde einfach einmal stolze 91 Jahre alt, er lebte vom 25.10.1881 bis zum 08.04.1973. Das sind 80 Jahre künstlerische Tätigkeit, da kommt schon was zusammen, über Picassos Leben berichtet der Artikel „Art-o-Gramm: Picasso – Ein langes Leben für die Kunst“.
Und er ließ sich durch widrige Lebensumstände in seiner Schaffenskraft nie bremsen, obwohl gerade er das Zeitgeschehen öfter einmal kräftig einen Strich durch die Rechnung machte, nachzulesen im „Art-o-Gramm: Picasso – ein Künstler und drei Kriege“.
Portrait des spanischen Malergenies von Frédéric Rossif (1981)
Alles nachvollziehbar, aber doch bleibt eine Frage immer noch offen: Warum, um Himmels willen, war die Kunst von Picasso durchweg so gut?
Eine Idee davon, warum das so sein könnte, gibt Ihnen der Artikel: „Art-o-Gramm: Picasso – Berühmte Kunst und ihr Geheimnis“ und sicher auch der Artikel „Art-o-Gramm: Picasso – Der Künstler, das Leben und die Liebe“. Bleibt noch die Betrachtung seiner gewaltigen Nachwirkung, in den Artikeln: „Art-o-Gramm: „Picasso – ein Garant für Top-Ranking“ und „Art-o-Gramm: Picasso heute“.
Passionierte Autorin mit regem Kunstinteresse