Claes Oldenburg hat ein langes Leben damit verbracht, den Alltag mit einfachsten Mitteln in Kunst umzuwandeln.
Freundliche Kunst, verschmitzte Kunst, ein bisschen ironische Kunst – kurz gesagt die Art von Kunst, die viele Menschen als willkommene Bereicherung ihres Alltags ansehen. Claes Oldenburgs Kunst sehen so viele Menschen als willkommene Bereicherung ihres Alltags an, dass er zu den bedeutendsten Vertretern der amerikanischen Pop Art gezählt wird, auf einer Stufe mit Andy Warhol und Roy Lichtenstein.
Aber Andy Warhol ist die Nr. 1 in der Weltbestenliste der Kunst, während Claes Oldenburg erst auf Platz 80 zu finden ist. Momentan, so um 2008 war er fast auf Platz 50, seitdem schwankt die Kurve hin und her zwischen ca. Platz 60 und 80. Bei Andy Warhol gibt es keine Kurve, sondern nur eine Gerade auf dem unverrückbaren Platz 1.
Warum das so ist, ist mit vielen verschiedenen Antworten zu begründen, hinter denen u.a. ein einziges gemeinsames Prinzip steckt: In Gesellschaften mit vielen verunsicherten Menschen laufen alle Schafe einem Anführer hinterher, weil sie sich nicht trauen, eine eigene Meinung zu vertreten. Und Anführer wird immer der, der am lautesten brüllt, in diesem Fall eindeutig Andy Warhol … der aber anders als die finsteren neuen Gestalten auf der politischen Bühne wenigstens nicht mit dem Vorsatz antrat, seinen Anhängern zu schaden.
Claes Oldenburgs Weg zur Kunst
Claes Oldenburg wurde 1929 in Stockholm geboren, durfte aber nur sehr wenig unbeschwerte schwedische Kindheit genießen: Sein Vater war als schwedischer Diplomat in New York stationiert, wo Oldenburg von 1930 bis 1933 zunächst aufwuchs.
Im sechsten und siebenten Lebensjahr durfte Oldenburg dann im norwegischen Oslo Wichtel zählen, zwar nicht ganz die Heimat, aber der kleine Claes hat in Oslo sicher „mehr Schweden“ um sich gehabt als in New York.
Vielleicht hat er sogar eine der Weihnachtsgeschichten gelesen, die Astrid Lindgren 1933 als literarische Frühtaten anonym in einer Stockholmer Zeitung veröffentlicht hatte? Lindgren schrieb lange Jahre anonym Kurzgeschichten für Zeitschriften und wurde eher zufällig Schriftstellerin, als ihre Tochter, krank im Bett liegend, 1941 Pippi Langstrumpf ernamste und um Geschichten rund um die frischgeborene Protagonistin bat.
Astrid Lindgren erfand Geschichten um und mit Pippi Langstrumpf und schrieb sie auch auf; „Pippi Langstrumpf“ wurde 1944 von ersten Verlagen abgelehnt und gewann 1945 bei einem Wettbewerb des zweiten Verlages den 1. Preis … aber Claes Oldenburg konnte 1936 nicht ahnen, dass im Norden bald eine wichtige Heldin entstehen sollte, er folgte seinen Eltern vielmehr arglos nach Chicago, wohin sein Vater als Generalkonsul von Schweden berufen wurde und wo Oldenburg bis 1946 zur Schule ging.
Auf diese Art und Weise dem Weltkrieg im heimischen Europa weitgehend entgangen zu sein, war sicher auch wichtiger.
Oldenburg besuchte in Chicago die noble Latin School of Chicago, eine private Tagesschule in Gold-Coast-Nachbarschaft, an der er 1946 auch seinen Schulabschluss machte. Von der Latin School war der Weg nach Yale offen (für gerade erwachte Langschläfer und Post-Y-Geborene: gemeint ist die Yale Universität, drittälteste Hochschule der Vereinigten Staaten und einer der bekanntesten dieser Elite-Bunker, die neben rasend tollen Leuten auch Betriebsunfälle wie die Bush-Brüder ausspucken), Oldenburg studierte dort von 1946 bis 1950 Kunst und englische Literatur.
Falls Oldenburg jemals durch das Elternhaus in seiner freien Entfaltung behindert worden sein sollte (was in Diplomaten-Haushalten mit geringerer Wahrscheinlichkeit als im Durchschnittshaushalt zu erwarten sein dürfte, weil Diplomaten durch die Welt reisen und weil die Welt erfahren welterfahren macht), war das nach seinem Abschluss in Yale Geschichte:
Oldenburg belegte von 1950 bis 1954 Kurse am Art Institute in Chicago. Das Art Institut of Chicago besteht aus einem Kunstmuseum (das mit seinem Bestand von 300.000 Werken aus fünf Jahrtausenden in der „TripAdvisor Travelers‘ Choice“ 2014 zum besten Museum der Welt gekürt wurde) und einer Kunsthochschule, und es ist zwar auf Initiative wohlhabender Bürger entstanden, aber wie die meisten Kunst-Institutionen eher freigeistig unterwegs.
Das letzte Mal hat das Art Institute of Chicago die breite Öffentlichkeit überrascht, als es 2016 Vincent Van Goghs „Schlafzimmer in Arles“ in Chicago nachbaute und zusammen mit der Werbeagentur Leo Burnett (Marlboro-Mann und mehr) über Airbnb vermietete.
Leo Burnett Chicago kam die Aktion gerade recht, hat die Agentur doch in kurzer Zeit den Energiekiller Mc Donalds (Kids, Tweens und Region Chicago), die Zuckerbombe Kellogg’s Special K und auch den (potthässlichen?) Chevrolet Silverado als Kunden verloren – gegen Allways-Ultra-Kampagnen für den einzigen verbliebenen Großkunden Procter & Gamble ist die Vermarktung eines berühmten Schlafzimmers sicher ein 100-%-Gewinn an Sinnlichkeit im Arbeitsalltag.
Airbnb ist sowieso alles recht, was ihnen steuerfreies Geld einbringt, aber der eigentliche Gewinner war das Art Institute of Chicago, das auf diese Art und Weise selbst kaum kunstaffine Menschen auf ihre anstehende Van-Gogh-Ausstellung aufmerksam machte.
Aber das war 66 teuflische Jahre später, noch sind wir im Jahr 1950, Claes Oldenburg war gerade 21 Jahre alt geworden und strebte wie jeder junge Mensch (in Zeiten, in denen nicht hinter jeder zweiten Arbeit die Ausbeutung lauert) nach Unabhängigkeit, weshalb er während der Studienzeit als Journalist und Grafiker für das City News Bureau von Chicago arbeitete.
1953 stellte Oldenburg das erste Mal aus, satirische Zeichnungen, wie seine Bilder aus der Anfangszeit weitgehend darstellend, aber stark vom Abstrakten Expressionismus geprägt. Noch im gleichen Jahr eröffnete er sein eigenes Studio und wurde Staatsbürger der USA – Oldenburg war bereit, die Kunstwelt zu erobern, die Kunstwelt war nur noch nicht ganz bereit für ihn.
Deshalb zog Oldenburg 1956 erst einmal in die Mitte der amerikanischen Kunstwelt, nach New York City, wo er mit einem Teilzeit-Job in der Bücherei des Cooper Union Museum for the Arts of Decoration über die Runden kam.
Den Rest der Zeit lernte er andere Künstler kennen, Jim Dine, Red Grooms, Allan Kaprow, Lucas Samaras, George Segal und noch viele andere Happening-Künstler, die ihn endgültig von der darstellenden Kunst lösten und seine Begeisterung für Collagen und Objekte weckten.
Ab 1958 begann Oldenburg, Objekte aus Pappmaché und Abfall anzufertigen und sie mit buntem Stoff zu beziehen, mit denen auch seine erste Ausstellung mit dreidimensionalen Arbeiten stattfand (Mai 1959, Judson Gallery, Judson Memorial Church, Washington Square).
1960 inspiriert seine Lower-East-Side-Nachbarschaft Oldenburg zu neuen Skulpturen, schlicht gerenderten Figuren, Buchstaben, Zeichen aus Pappe, Jute und Zeitung; 1961 entwarf er Skulpturen aus Kaninchendraht, die mit gipsgetränkter Leinwand und Emailfarbe überzogen wurden, erstmals Alltagsgegenstände wie Kleidungsstücke oder Lebensmittel.
1960 begann Oldenburg auch, mit seinen neuen Pop-Art-Freunden Happenings zu erschaffen, „Ray Gun Theater“ mit Lucas Samaras, Tom Wesselman, Carolee Schneemann, Oyvind Fahlstrom und Richard Artschwager, auch seine erste Frau Patty Mucha nähte nicht nur Oldenburg Weich-Skulpturen, sondern war als konstante Performerin in seinen Happenings zu sehen. Grelle Farbigkeit und Verfremdung entdeckten Kunstkritiker in seinem Werk, aber erst einmal auch nicht viel mehr.
Kunst von Claes Oldenburg
Deshalb dauerte es bis 1962, bis Oldenburg der Durchbruch gelang.
Oldenburg war 33, ziemlich frisch verheiratet mit Patty Mucha, die als Patricia Muschinski in Milwaukee geboren wurde und in Erfüllung aller Klischees zu ihrem Ehemann gekommen war: Sie war eines seiner Nackt-Modells, als Oldenburg in der frühen New Yorker Zeit Ausflüge in die Portraitmalerei (und wohl auch Akt-Malerei, nur für Portraits braucht man so wenig Nackt-Modells) unternahm.
Patty Mucha war auch Künstlerin, und die Eheleute arbeiteten von nun an zusammen. Oldenburg hatte schon 1957 kurz mit „Soft Sculptures“ geliebäugelt, aber der abschnittweise eingeschnürte Damenstrumpf mit Füllung aus Zeitungspapier, der heute als „Sausage“ verehrt wird (jessesartspace.wordpress.com), konnte damals die Kunstwelt nicht so richtig begeistern.
Nun ging er die Softies mit Patty erneut an, 1962 entstanden „in einem Wurf“ der „Floor Cake“, ein Tortenstück aus Latex auf Leinwand, bemalt mit synthetischer Polymerfarbe, gefüllt mit Moosgummi und Kartons: www.moma.org/collection/works/81450.
und der „Floor Cone“, eine auf identische Art produzierte Eistüte: www.moma.org/collection/works/81461 und als Abschluss der dumpfmachenden Magenfüller der „Floor Burger“, eigentlich ein Whopper, komplett mit bun, patty and pickle.
Das Besondere an diesen drei Werken waren ihre Maße: „Floor Cake“ 2,9 x 1,48 x 1,48 Meter, „Floor Cone“ 3,45 x 1,42 x 1,36 Meter, „Floor Burger“ 2,13 Meter im Durchmesser und 1,3 Meter hoch.
Die Soft-Skulpturen waren die Stars der Ausstellung in der New Yorker Green Gallery, und sie fanden auch sofort Anklang beim hungrigen amerikanischen Publikum. Schon als die Riesen-Eistüte im Pickup-Truck über die West Fifty-seventh Street zur Green Gallery transportiert wurde, jubelten in vorbeifahrenden Autos die Kinder, in der Galerie jubelten die Erwachsenen – alles fein, Oldenburg war ein gemachter Mann.
Sofagroße Torte als Kunst? Ernsthaft?
Ob sofagroßes Tortenstück, Riesen-Eistüte oder megalomanischer Burger – nichts davon hätte heute die geringste Chance, als Sensation in der Kunstwelt gefeiert zu werden. Bestenfalls als Sensation im prekären Restaurant, dessen nicht durch Kochkenntnisse beschwerte Besitzer nach Besuch des Koch-Experten aus dem Privatfernsehen auf XXL-Restaurant machen, aber sofagroße Torte taugt auch nur genau ein Mal als Hit.
Was hat die Menschen damals bloß so an diesen Kunstwerken verzückt?
Ganz einfach, es war Kunst für Menschen – So albern sie war, nahm diese Kunst die Menschen ernst, und sie richtete sich an ALLE Menschen.
Bis zur Pop Art gab es kaum freche, humorvolle Kunst; Kunst war etwas für gebildete Menschen, die sich diese Kunst und die dahinterstehenden Ideen von noch gebildeteren Kunstwissenschaftlern in „tiefgründigen“ Ausdrücken erklären lassen mussten, um sie dann voller Ehrfurcht zu bewundern.
Doch die jungen Künstler der 1960er Jahre, Oldenburg und Warhol und Liechtenstein und zahllose andere Künstler um sie herum, wollten keine Kunst machen, die Ehrfurcht hervorruft; im Gegenteil: Sie wollten die Ehrfurcht vor der Kunst abbauen, in wahrhaft demokratischer Manier Kunst für alle Menschen herstellen. Das erklärt wiederum die Motive, wer Kunst für alle Menschen machen will, kommt mit Elfenbeintürmen nicht weit, sondern sollte tunlichst Motive wählen, die auch alle Menschen kennen.
Wegen diesem Ansatz fand nicht nur Oldenburgs temperamentvolle Kunst große Popularität, hier liegt auch die inhaltlich begründete Erklärung dafür, dass Warhol zur Nr. 1 auf dem Kunstmarkt aufstieg und Oldenburg in den 50er bis 80er Plätzen verharrte.
Denn Warhol ist das Ganze noch einen Tick radikaler angegangen, er befreite das Kunstwerk nicht nur von verstörenden Ernst, sondern mit seiner seriellen Herstellungsweise auch sehr gründlich vom Mythos der Einzigartigkeit.
Überhaupt, Suppendosen als Kunst – Andy Warhols „Campbell’s Soup Cans“ erblickten ebenfalls 1962 die Welt – waren ohnehin schon ein wenig unerhörter, weil sie gegen Torte, Burger und Eis ganz normale Alltagsnahrung waren.
Dass die Dosen aber nun in Polymerfarbe auf gleich 32 Leinwänden erschienen (32, weil es 32 Sorten Campbell’s Suppen gab), verspottete die ehrwürdige Kunstwissenschaft, die dicke Bücher über die Einzigartigkeit einzelner Kunstwerke verfassen konnte oder es jedenfalls tat, auch noch etwas gründlicher als jede Torte und jeder Burger es können.
Trotz Gefahr, sarkastisch zu erscheinen: Oldenburg lebt noch; in Bezug auf Popularität in der Kunstwelt ein eher unglücklicher Tatbestand; während Andy Warhol schon 1987 und Robert Rauschenberg 2008 die Bühne frei gemacht hatten, um ihr nun begrenztes künstlerisches Werk im Wert steigen zu lassen und der Kunstwissenschaft endlich die Möglichkeit einzuräumen, sich ohne Gefahr eines Widerspruchs des Künstlers über die jeweilige Kunst auszulassen.
Aber das ist alles schon die Betrachtung aus der Rückschau – als Oldenburg die Kunstwelt eroberte, führte er zusammen mit Robert Rauschenberg (heute Nr. 13) die Künstlerhitlisten an, wurde eingeladen zur Biennale und zur Documenta. Er war eine ganze Zeit lang viel begehrter als Andy Warhol, mit gerade einmal 40 Lebensjahren feierte ihn das MoMA in New York mit der ersten großen Ausstellung, das war 1969.
Das ist wohl der witzigste oder makaberste Ringschluss der Aufbruchstimmung der 1960er Jahre: Heute schreiben Kunstwissenschaftler immer noch dicke Bücher über die Kunstwerke und Person der Künstler um Oldenburg, Rauschenberg, Warhol, Lichtenstein und Co., die die Kunst von der Kunstwissenschaft befreien wollten …
Jahrzehnte weltvergrößernder Kunst
Aber zurück zu Claes Oldenburgs Guter-Laune-Kunst (die US-Poet Frank O‘ Hara, der die Werke seiner Künstler-Freunde in Worte fasste, bis er 1966 von einem Strand-Buggy überfahren wurde, als „magisch und fremd“ beschrieb):
Burger-Berge und Tortenstücke in Sofagröße waren die ersten Taten von Claes Oldenburg, es folgten riesige Pommes, Doppel-Cheeseburger und ein in sich zusammengesacktes Klo, und ab etwa 1965 hat sich Claes Oldenburg endgültig entschlossen, unsere Welt durch Kolossalobjekte zumindest optisch ein wenig zu vergrößern:
- 1969 entstand „Lipstick (Ascending) on Caterpillar Tracks“, Tower Pkwy, New Haven, CT 06511, USA
- 1970 der große Stecker „Plug“
- 1976 die „Clothespin“, Market St & S 15th St, Philadelphia, PA 19102, USA
Dann kam Coosje van Bruggen und arbeitete mit Oldenburg zusammen, seit sie ihm auf dem Grundstück des Kröller-Müller Museums in Otterlo, NL beim Aufstellen eines Kunstwerks geholfen hatte. Das war 1976, 1977 heirateten die beiden und erschufen ab dann für die nächsten 30 Jahre zusammen „Large-Scale Projects“:
- 1977 „Giant Pool Balls“, Skulptur Projekte Münster
- 1981 „Flashlight“, University of Nevada, Las Vegas
- 1982 „Spitzhacke“, 12 Meter hoch und für die Documenta 7 in Kassel geschaffen, steht am Kasseler Fuldaufer (siehe nachfolgendes Foto)
Und so ging es weiter, bis zum berühmten „Cupid’s Span“ aus Fiberglas und Stahl (2002, Rincon Park, San Francisco in 2002) und den „Tumbling Tacks“ (2009, Kistefos Sculpture Park nördlich von Oslo, letzte gemeinsame Arbeit vor van Bruggens Tod im gleichen Jahr).
Oldenburgs bislang letztes großes Werk ist der stattliche „Paint Torch“, ein Pinsel aus Stahl und Fiberglas mit LED-Beleuchtung, der 2001 vor der Pennsylvania Academy of the Fine Arts in Philadelphia eingeweiht wurde.
Die schönste Kunst für KunstSpiele
Das waren nur ein paar Beispiele, die Welt ist voll von Oldenburgs spaßig-ironischer Kunst. Mit dieser Kunst lässt sich für phantasievolle Menschen auch wieder viel Spaß machen, z. B. als Suchspiel. Wer findet die Fleischplatte und den Kuchenteller, die grünen Frauenschuhe, den Käsekuchen, das Standwaschbecken, den Weichen schwedischen Lichtschalter, „Bedroom Ensemble Replicas“ und die „Tubes Supported by its Content“, sind ja schließlich alle im Riesenformat in der Welt?
Unterhaltsam könnte auch ein Ausflug in die Erklär-Kunst werden, wenn der Debatte ein Kunstwerk von Claes Oldenburg zugrunde gelegt wird: Warum steht vor einem Wolkenkratzer in Frankfurt am Main eine über zehn Meter hohe, nach oben „flatternde“ Krawatte? Was will der Künstler uns damit sagen?
Kulturanthropologische, zeitgeschichtliche, textilwissenschaftliche, esoterische, medientheoretische, religionssoziologische, szientometrische, pädagogisch-didaktische, kybernetische, ingenieurgeodäsische, humanmedizinische Betrachtung?
Manches Oldenburg-Kunstwerk ruft in kreativen Menschen ein Feuerwerk an Recycling-Ideen hervor: Was könnte man mit dem „Gartenschlauch mit Wasserhahn“, Freiburg im Breisgau, noch alles anstellen, als ihn im Park herumstehen zu lassen?
Alles nicht sehr ehrwürdige Annäherung an Claes Oldenburg-Kunst, die dem Künstler aber mit Sicherheit gut gefallen würde.
Claes Oldenburg: Öffentliches Leben, Ausstellungen, Auszeichnungen
Künstler Nr. 80 in der Welt wird man nicht ohne öffentliche Präsenz. Claes Oldenburg war seit den 1960ern in über 1.000 Ausstellungen zu sehen, von denen alleine 100 im Museum of Modern Art, New York zu sehen waren. Wenn der Eindruck entstand, dass Claes Oldenburg Bruder Richard E. Oldenburg, Kunstwissenschaftler und von 1972 bis 1993 Direktor des MoMA, hier die Hand im Spiel hatte, wurde dieser Eindruck 2009 korrigiert:
In diesem Jahr verkaufte Claes Oldenburg seine Skulptur „Typewriter Eraser“ (von 1976, einer von drei hübschen großen Radiergummis: c1.staticflickr.com/) für 2,2 Millionen Dollar über Christie’s New York, obwohl sein Bruder nach seiner MoMA-Zeit bis 2000 Chairman von Sotheby Nord- und Südamerika und danach Ehrenvorsitzender von Sotheby war …
Auszeichnungen und Ehrungen
Oldenburg kann eine stattliche Reihe von Auszeichnungen vorweisen:
- 1970 Ehrendoktor des Oberlin College, Ohio
- 1971 Brandeis University Sculpture Award
- 1972 Skowhegan Medal for Sculpture
- 1975 Member of the American Academy and Institute of Arts and Letters
- 1976 Art Institute of Chicago, First Prize Sculpture Award der 72nd American Exhibition
- 1977 Medal des American Institute of Architects
- 1978 Member of the American Academy of Arts and Sciences
- 1979 Ehrendoktor Art Institute of Chicago, Illinois
- 1980 Aufnahme in die American Academy of Arts and Sciences
- 1981 Wilhelm-Lehmbruck Preis für Skulptur, Duisburg, Germany
- 1989 Wolf Prize in Arts
- 1993 Brandeis University Creative Arts Award for Lifetime Artistic Achievement + Jack I. and Lillian Poses Medal for Sculpture
- 1994 Distinction in Sculpture, Sculpture Center, New York (Oldenburg + Van Bruggen)
- 1995 Rolf Schock Foundation Prize, Stockholm, Sweden
- 1995 Ehrendoktor Bard College, New York
- 1996 Nathaniel S. Saltonstall Award, Institute of Contemporary Art, Boston (Oldenburg + Van Bruggen)
- 1996 Ehrendoktor Royal College of Art, London
- 1996 honorary degrees from the California College of the Arts, San Francisco, California (Oldenburg + Van Bruggen)
- 1999 Ehrendoktoren University of Teesside, Middlesbrough, England (Oldenburg + Van Bruggen)
- 2000 National Medal of Arts, USA
- 2002 Partners in Education Award, Solomon R. Guggenheim Museum, New York (Oldenburg + Van Bruggen)
- 2004 Medal Award der School of the Museum of Fine Arts, Boston (Oldenburg + Van Bruggen)
- 2005 Ehrendoktoren Nova Scotia College of Art and Design, Halifax, Nova Scotia (Oldenburg + Van Bruggen)
- 2005 Ehrendoktoren College for Creative Studies in Detroit, Michigan (Oldenburg + Van Bruggen)
Der in Person auch meist gute Laune ausstrahlende Künstler der fröhlichen Kunst lebt heute in New York, nähert sich seinem 90. Lebensjahrzehnt und stiftet als „Großpapa der Pop-Art“ laufend junge Künstler dazu an, die Kunst ebenso wenig ernst zu nehmen wie er es getan hat.
Die offizielle Website von Claes Oldenburg und Coosje van Bruggen ist unter www.oldenburgvanbruggen.com zu erreichen und bietet eine Large-Scale Projects Image Gallery mit Case Histories, die Biographien der Künstler und ausgesuchte Publikationen (alles in englisch).
Ein paar Tage vor Entstehung dieses Artikels erschien im New York Times Style Magazin ein Artikel über Claes Oldenburg und – unter anderem – die geheimnisvolle Grabkunst, die er vor langer Zeit in New York angefertigt hat, die aber bis heute kaum jemand kennt. Auch mit 88 Jahren kann Claes Oldenburg offensichtlich noch für Überraschungen sorgen, hoffentlich bleibt das noch lange so (www.nytimes.com/, mit Slide Show von Claes Oldenburgs Kunst „durch die Jahre“).
Leibhaftige Werke von Claes Oldenburg sind aktuell in New York zu besichtigen, die Ausstellung „Shelf Life“ in der Pace Gallery ist noch bis zum 11. November 2017 zu besichtigen (Werke von Oldenburg/van Bruggen, im New Yorker wird am 06. November dieser Artikel über die Ausstellung erscheinen: www.newyorker.com/); „Three Dimensions: Modern & Contemporary Approaches to Relief and Sculpture“ in den Acquavella Galleries, Inc. läuft noch bis zum 17. November 2017. Oder im Walker Art Center, Minneapolis, MN, wo bis 19. November 2017 die Ausstellung „Cultivating the Garden“ geöffnet hat. Oder in Bern, wo im Kunstmuseum Bern bis zum 21. Januar 2018 die Ausstellung „The Show Must Go On – Aus der Sammlung Gegenwartskunst“ besucht werden kann.
Öffentliche Kunstsammlungen
Wenn Sie dorthin gerade nicht reisen können, finden Sie seine Werke in „den paar“ öffentlichen Kunstsammlungen in der Welt, die Oldenburg-Kunst erworben haben:
- Australien: National Gallery of Australia, Canberra, ACT
- Belgien: Royal Museums of Fine Arts of Belgium, Brüssel
- Brasilien: Museu de Arte Contemporânea da Universidade de São Paulo (MAC/USP), São Paulo
- Dänemark: Louisiana Museum of Modern Art, Humlebæk; Museet for Samtidskunst / Museum of Contemporary Art, Roskilde
- Deutschland: Museum Ludwig, Köln; Museum für Moderne Kunst (MMK), Frankfurt/Main; Hamburger Kunsthalle; Wilhelm Hack Museum Ludwigshafen; Städtisches Museum Abteiberg, Mönchengladbach; Vitra Design Museum, Weil am Rhein
- Finnland: Kiasma – Museum of Contemporary Art, Helsinki
- Frankreich: Musee d´Art Moderne et d`Art Contemporain Nice (MAMAC), Nice; Centre Pompidou, Paris; Musée d’art moderne et contemporain de Saint-Étienne (MAMC), Saint-Etienne
- Großbritannien: Pallant House Gallery, Chichester, West Sussex; Leeds Art Gallery; Tate Britain und Tate Modern, London
- Kanada: National Gallery of Canada – Musée des beaux-arts du Canada, Ottawa, ON; Art Gallery of Ontario, Toronto, ON
- Kolumbien: Museo de Arte Moderno de Bogotá (MAMBO), Bogota
- Israel: The Israel Museum, Jerusalem
- Italien: Centro de Arte Moderna e Contemporanea della Spezia (CAMeC), La Spezia; Museo D’Arte Contemporanea Donna Regina (MADRE), Naples; Museo d’Arte Moderna e Contemporanea di Trento e Rovereto (MART), Rovereto; Castello di Rivoli Museo d’Arte Contemporanea, Turin
- Japan: Kawasaki City Museum; Hara Museum of Contemporary Art, Tokyo
- Niederlande: Stedelijk Museum Amsterdam, Amsterdam; Kröller-Müller Museum, Otterlo; Museum Boijmans van Beuningen, Rotterdam; Museums Vledder
- Österreich: Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig (MUMOK), Wien
- Portugal: Berardo Museum, Lissabon
- Spanien: Museo de Arte Contemporaneo de Alicante (MACA), Alicante; Fundación Joan Miró und Museu d’Art Contemporani de Barcelona (MACBA), Barcelona
- Schweden: Malmö Konsthall, Malmö; Moderna Museet, Stockholm
- Schweiz: Kunstmuseum Basel
- Ungarn: Ludwig Museum – Museum of Contemporary Art Budapest
- USA: Akron Art Museum, Akron, OH; The University of Michigan Museum of Art (UMMA), Ann Arbor, MI; Crystal Bridges Museum of American Art, Bentonville, AR; Cranbrook Art Museum, Bloomfield Hills, MI; Housatonic Museum of Art, Bridgeport, CT; List Visual Arts Center (LVAC), Cambridge, MA; Tarble Arts Center, Charleston, IL; Museum of Contemporary Art Chicago (MCA), Chicago, IL;
Pomona College Museum of Art, Claremont, CA; Columbia Museum of Art, Columbia, SC; Meadows Museum, Dallas, TX; Nasher Sculpture Center, Dallas, TX; The Dayton Art Institute, Dayton, OH;
Des Moines Art Center, Des Moines, IA; Koehnline Museum of Art, Des Plaines, IL; The Modern Art Museum of Fort Worth, Fort Worth, TX; Frederik Meijer Gardens & Sculpture Park, Grand Rapids, MI; Faulconer Gallery, Grinnell, IA; The Menil Collection, Houston, TX; Museum of Fine Arts Houston (MFAH), Houston, TX; Kemper Museum of Contemporary Art, Kansas City, MO; The Nelson-Atkins Museum of Art, Kansas City, MO; Ewing Gallery of Art and Architecture, Knoxville, TN; Samek Art Museum, Lewisburg, PA; Sheldon Museum of Art, Lincoln, NE; Los Angeles County Museum of Art (LACMA), Los Angeles, CA; MOCA Grand Avenue, Los Angeles, CA; The Madison Museum of Contemporary Art (MMoCA), Madison, WI; The Chinati Foundation, Marfa, TX; The Margulies Collection, Miami, FL; Museum of Contemporary Art North Miami (MOCA), Miami, FL; Weisman Art Museum, Minneapolis, MN; Solomon R. Guggenheim Museum, New York City, NY; Museum of Modern Art (MoMA), New York City, NY; Whitney Museum of American Art, New York City, NY; Fred Jones Jr. Museum of Art, Norman, OK; Allen Memorial Art Museum, Oberlin, OH; Miami University Art Museum, Oxford, OH; Norton Simon Museum of Art, Pasadena, CA; The Fabric Workshop and Museum, Philadelphia, PA; Philadelphia Museum of Art, Philadelphia, PA; Saint Louis Art Museum, Saint Louis, MO;
The de Young Museum, San Francisco, CA; San Francisco Museum of Modern Art (SFMOMA), San Francisco, CA; San Jose Museum of Art, San Jose, CA; Santa Barbara Museum of Art, Santa Barbara, CA; Sioux City Art Center, Sioux City, IA; Iris & B. Gerald Cantor Center for Visual Arts, Stanford, CA; University Art Gallery – Indiana State University, Terre Haute, IN; Palmer Museum of Art, University Park, PA; Hirshhorn Museum and Sculpture Garden, Washington, DC; Norton Museum of Art, West Palm Beach, FL (man hätte vermutlich schreiben können: in fast jedem Museum der USA mit zeitgenössischer Kunst, wäre nur ein wenig unfair denen gegenüber, die für die nächste USA-Reise im Artikel ein Museum heraussuchen wollen)
Claes Oldenburg, kurze Kurzbiografie
- Claes Oldenburg wurde am 28. Januar 1929 in Stockholm geboren
- 1946 bis 1950 Studium an der Yale University, Kunst und englische Literatur.
- 1950 bis 1954 belegt Oldenburg Kurse am Art Institute of Chicago
- Oldenburg zeigte seine Kunst ab 1960 in mehr als 1000 Ausstellungen in der ganzen Welt
- 1960 heiratete Oldenburg seine erste Frau und Künstlerin Patty Mucha, nach 10 Jahren gemeinsamer Arbeit wurde diese Ehe 1970 geschieden
- 1969 bis 1977 lebte Oldenburg in einer Liebes- und Arbeitsgemeinschaft mit der US-amerikanischen Künstlerin Hannah Wilke
- 1977 heirateten Oldenburg und die Künstlerin Coosje van Bruggen
- Von 1977 bis zu van Bruggens Tod 2009 entstanden zahlreiche gemeinsam erstellte Kunstwerke
- 1992 kauften Oldenburg und van Bruggen Château de la Borde, ein kleines Loire-Schlösschen in Beaumont-sur-Dême, in dem sie ihr eigenes kleines Museum mit Werken von Le Corbusier, Charles und Ray Eames, Alvar Aalto, Frank Gehry und Eileen Gray einrichteten.
- Oldenburg hat (teils zusammen mit Coosje van Bruggen) zahlreiche Auszeichnungen, Preise und Ehrendoktorwürden erhalten
Claes Oldenburg über Kunst:
Ich bin für die Kunst, die im Winter in Nebel aus den Kanallöchern auftaucht. Ich bin für die Kunst, die sich spaltet, wenn man auf eine gefrorene Pfütze tritt. Ich bin für die Kunst des Wurms im Apfel.“
(selten zitierte Passage aus seinem berühmtesten Stück, dem halbsatirischen Manifest „I Am For…“ von 1961).
Claes Oldenburg im Alter von 93 Jahren gestorben (Nachtrag Juli 2022)
Claes Oldenburg, der in Schweden geborene amerikanische Pop-Künstler, der für seine monumentalen Skulpturen von Alltagsgegenständen bekannt ist, starb am Montag, den 18. Juli 2022 in seinem Haus und Atelier im Stadtteil SoHo in Manhattan. Er wurde 93 Jahre alt.
Sein Tod wurde von Adriana Elgarresta, einer Sprecherin der Galerie Pace in New York, die ihn zusammen mit der Paula Cooper Gallery seit langem vertritt, bestätigt. Alle führenden Tageszeitungen, wie die New York Times oder die Süddeutsche Zeitung, berichteten.
Kaum jemand verkörperte die Erfolgsgeschichte der Kunst im öffentlichen Raum wie er. Und nur wenige Künstler hatten das Werk Marcel Duchamps und das Ready-made so einfach in eigene Bahnen gelenkt. Der Meister des monumentalen Humors hinterlässt uns ein überwältigendes Erbe …
Passionierte Autorin mit regem Kunstinteresse