Ed Ruscha – welcher Kunstrichtung ist er zuzuordnen?
Ed Ruscha gehört zu den Künstlern, die sich in mehreren Medien ausdrücken, der US-amerikanische Künstler arbeitet als Maler und Grafiker, als Fotograf und Buchkünstler und als Filmemacher.
Vor allem im Bereich der Malerei und als Fotograf und Buchkünstler hat er wegweisende Werke geschaffen, wegen derer er heute zu den bedeutendsten Vertretern der Pop Art gezählt wird.
Die Welt, in die Ed Ruscha geboren wurde
„Ed“ Ruscha, der mit vollständigem Namen Edward Joseph Ruscha heißt, wurde am 16. Dezember 1937 geboren, im gleichen Jahr wie Rita Süssmuth, Dieter Thomas Heck, Jane Fonda, Jack Nicholson, Dustin Hoffman und Anthony Hopkins, er hat also unlängst seinen 85. Geburtstag gefeiert.
Das Jahr 1937 steht für reichlich später Geborene eigentlich schon im Zeichen des 2. Weltkrieges, und wirklich war es kein so schönes Jahr, um das Licht dieser Welt zu erblicken: Die Welt betrachtete ziemlich atemlos und ratlos die weltpolitische Entwicklung, in der damals die Anzeichen für einen in seinen Dimensionen unabsehbaren Krieg gerade immer deutlicher werden.
In Europa hatte eine verdeckt arbeitende Einheit der deutschen Wehrmacht, die „Legion Condor“, gerade Faschistenführer Franco unterstützend in den spanischen Bürgerkrieg eingegriffen und die nordspanische Stadt Guernica in einem beispiellosen und völkerrechtswidrigen Terrorakt dem Erdboden gleichgemacht.
Das nichtfaschistische Europa und die USA wollen einen kontinentalen Krieg verhindern und bleiben gegenüber der deutschen Machtpolitik noch fast reaktionslos, aber der spanische Bürgerkrieg hat bereits Künstler und Intellektuelle mobilisiert: George Orwell und Ernest Hemingway arbeiten als Kriegsberichterstatter in Spanien und nehmen Partei für die von Franco angegriffene demokratisch gewählte Regierung.
Wie viel Ed Ruscha in seiner Jugend von der gespannten Weltlage und dem sich anschließenden 2. Weltkrieg mitbekam, ist Sache genauerer biographischer Betrachtung. Wahrscheinlich hat er jedoch das Glück, von traumatischer Berührung mit dem Kriegsgeschehen weitgehend verschont zu bleiben: Er wurde in Omaha/Nebraska geboren, das liegt so ziemlich mitten in Amerika, 1941 zog die Familie zwei Staaten weiter südlich, nach Oklahoma.
Diese Wohnorte liegen beide mitten im landwirtschaftlichen Kerngebiet der Vereinigten Staaten, wenn irgendjemand wenig von den Kriegshandlungen mitbekam, die von den USA in die Welt ausgingen, war es wahrscheinlich die Bevölkerung, die hier wohnte. Auch die Zeit seines Aufwachsens muss noch etwas genauer eingeordnet werden: Als die USA am 8.12.1941 in den Krieg eintrat, stand gerade Ed Ruschas vierter Geburtstag kurz bevor, und zu Kriegsende war er noch nicht einmal 8 Jahre alt.
Offensichtlich war während der gesamten Zeit in Oklahoma ein geordneter Schulbesuch möglich war. Denn es ist übermittelt, dass Ed Ruscha sich schon als Zehnjähriger (1947) mit dem Zeichnen von Comicstrips beschäftigte und dass er 1956 die Classen High School in Oklahoma City abschloss.
Es ist zwar eine völlig unbelegbare Vermutung, aber vielleicht war sogar eine der Absurditäten der Kriegszeit für seine Liebe für Comics mit verantwortlich: Nach dem Angriff auf Pearl Harbor die Angst auf bevorstehende Anschläge mit Chemiewaffen um, und aus diesem Anlass fing die Regierung an, in Massen Gasmasken in der Bevölkerung zu verteilen.
Um den kleinsten Amerikanern das schaurige Utensil kinderfreundlich zu präsentieren, kam man tatsächlich auf die Idee, für Kinder Gasmasken mit Micky-Maus-Gesicht anzufertigen, mit Billigung von Disney, und eine der wenigen erhaltenen Micky-Maus-Gasmasken wird ausgerechnet im 45th Infantry Division Museum in Oklahoma ausgestellt …
Ed Ruschas Leidenschaft für Comics und Comic zeichnen sollte sich auf jeden Fall als lebensbestimmend erweisen, sie war der Grund, dass der Junge vom Lande sich ins Zentrum der Disney-Welt begab, nach Los Angeles (eigentlich wollte er nach San Francisco, wo aber keine Ausbildung in gewerblicher Kunst angeboten wurde). Wohl keine schlechte Entscheidung für ihn, in Los Angeles lebt der Künstler bis heute.
So kam Ed Ruscha zur Kunst…
1956 war es, als Ed Ruscha seinen Enthusiasmus für das Comic-Zeichnen zur Grundlage seiner Ausbildungwahl machte: Er ging nach Los Angeles, studierte dort am Chouinard Art Institute und besuchte die Schule für Walt Disney-Illustratoren.
Ed Ruscha hat die legendären Ahnherren der Disney-Studios bestimmt noch persönlich erlebt, mindestens in der Illustratoren-Schule, aber die Disney-Brüder Walt (der Vater von Micky Maus) und Roy (der ältere Bruder und mit Walt Gründer der Disney-Studios) übernahmen zu dieser Zeit auch gerade Chouinard in das von der Walt Disney Company mitbegründeten California Institute of the Arts.
An Ed Ruschas Ausbildung lässt sich gut aufzeigen, wie sehr „Comic“ immer zur Kunst gehörte – im California Institute of the Arts war „Film und Animation“ nur einer der Fachbereiche (neben Kunst, Musik, Tanz und Theater). Auch Ed Ruscha hat während seiner Ausbildung nicht nur lustige Figuren gezeichnet, sondern er setzte sich gründlich mit dem Abstrakten Expressionismus auseinander (der sich ab 1940 in New York entwickelt hatte und nun, um 1960, auch die gegenüberliegende Seite der USA erreicht hatte).
… und so wurde er zum Künstler
Ed Ruscha – The Tension of Words and Images | Artist Interview | TateShots
Dieser Kontakt mit dem Abstrakten Expressionismus wird sogar als ziemlich prägend für die Kunst Ed Ruschas angesehen, und soll seine ersten Publikumserfolge deutlich dominiert haben. Ruscha konnte seine Kunst im Jahr 1963 zum ersten Mal in einer Einzelausstellung einem größeren interessierten Publikum präsentieren.
Das geschah in der legendären Ferus Gallery in Los Angeles, einer Galerie im besten traditionellen Sinne, die sehr vielen Künstlern zu ihren ersten Einzelausstellungen verholfen hat: 1957 konnte der Assemblage-Künstler Wallace Berman hier starten, 1958 bekamen der Bildhauer Billy Al Bengston und der Maler Ed Moses bei Ferus ihre erste Chance, im Jahr 1959 stellten sich Installationskünstler Robert Irwin und Keramik-Artist John Mason hier zum ersten Mal vor, 1960 brachte die Formen und Prints von Kenneth Price an die Welt, 1962 debütierten Maler Llyn Foulkes und Minimalismus-Künstler Larry Bell bei Ferus, und 1963 eben Ed Ruscha.
Diese Galerie brachte Ruscha aber auch in Kontakt mit neuen Einflüssen, die seine Liebe zum Comic referenzierten: Ferus hatte kurz vorher (1958) begonnen, neben West-Coast-Art (also an der Westküste heimische Künstler) auch die New Yorker Kunst der damaligen Zeit zu präsentieren. Und so war Ferus auch die erste Galerie, die eine Einzelausstellung von Andy Warhol an die Westküste brachte, dem berühmten Künstler, der damals gerade in New York die die „Pop Art“ in die Kunstwelt brachte.
Werkschau der Pop Art Kunstwerke von Ed Ruscha (auf Pinterest)
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Anfang der 1960er Jahre wurden in der Ferus Galerie auch andere Künstler ausgestellt, die Pop Art zum Thema hatten oder machten. So Jasper Johns (wird selbst nicht als Pop-Art-Künstler betrachtet, gilt aber als wichtiger Wegbereiter) und der zweite wichtigste Pop-Artist, Roy Lichtenstein.
Denn die Ferus-Galerie war vielleicht traditionell in ihrem Anliegen, junge Künstler zu unterstützen, traditionell im Kunstgeschmack war diese Galerie jedoch überhaupt nicht, Galeriedirektor Irving Blum wollte im Gegenteil die neuesten zeitgenössischen Kunstentwicklungen aus New York so schnell wie möglich auch an die weit entfernte Westküste bringen.
Bei Ferus war man modern, andere von dieser Galerie geborenen Stile, durch die sich Ferus von Rest der heimischen Kunstwelt unterschied, waren der „Finish Fetish“—Style mit glänzenden Oberflächen und die „Light and Space“-Kunst, die mit Wahrnehmungsphänomenen arbeitete. Die Pop Art selbst war für Ed Ruscha eigentlich ein sehr konträrer Einfluss, denn Pop Art bezeichnete in den Vereinigten Staaten gerade die bewusste Abkehr von der Malerei des abstrakten Expressionismus, die Ruscha bisher verwirklichte.
Aber die Pop-Art-Künstler waren die Künstler, die den Comic endgültig in die Sphären der Galerie-Kunst erhoben, und so ist es eigentlich nicht verwunderlich, wenn Ed Ruscha über kurz oder lang zu den Pop-Art-Künstlern fand. Ed Ruscha hat die Galerie später einmal mit einem Jazz-Album verglichen, auf dem eine Menge verschiedener Stimmen unter einem Platten-Label vereint wurden: Jede mit einer sehr entschiedenen Art, die Welt und die Kunst zu sehen, deshalb sei dieser Ort ungewöhnlich lebendig und inspirierend gewesen.
Dem jungen Künstler Ed Ruscha hatte diese Galerie jedenfalls den entscheidenden Startauftritt ermöglicht, und das vitale Kunst- und Künstlerleben, das er im Dunstkreis dieser Galerie erlebte, beeinflusste entscheidend seine künstlerische Entwicklung, bis hin zu den Werken, die heute der Pop-Art-Kunst zugeordnet werden.
Etwa zu dieser Zeit begann Ed Ruscha auch, sich als Foto-Künstler zu entwickeln, ab 1962 begann er, Fotobücher zu publizieren, mit Auflagen von einigen Hundert oder Tausend Exemplaren.
Ein Fotobuch war es auch, das die Grundlage zu Ruschas Status als Kult-Künstler legte: „Twentysix Gasoline Stations“, 1963 veröffentlicht, wurde während der 1960er Jahre zum Kultobjekt, und wenig später galt es als das erste moderne Künstlerbuch, das großen Einfluss auf die sich in Amerika damals gerade entwickelnde Künstlerbuch-Kultur haben sollte.
Das Buch mit dem Titel „Twentysix Gasoline Stations“, „26 Tankstellen“ also, tat genau das, was der Titel vermuten lässt: Ruscha fotografierte auf dem Weg zu einem Heimatbesuch bei seinen Eltern entlang der Route 66 alle 26 Tankstellen, an denen er vorbeikam, und druckte sie in seinem Künstlerbuch ab, jeweils mit einem Untertitel, der Marke und Ort beschrieb.
Ed Ruscha: ‚Twentysix Gasoline Stations‘ (1969)
Das zweite Künstlerbuch mit Kultstatus folgte 1966: „Every Building on the Sunset Strip“ ist ein Fotobuch-Leporello, in dem jedes Gebäude abgebildet wird, das damals auf dem Sunset Strip in Hollywood zu finden war.
Beide Projekte werden heute als Meilensteine der Foto- und Konzeptkunst angesehen.
Ed Ruscha’s Photography Books | Artist Interview | TateShots (Videobeitrag zu seinen Künstlerbüchern)
Inhaber und Geschäftsführer von Kunstplaza. Publizist, Redakteur und passionierter Blogger im Bereich Kunst, Design und Kreativität seit 2011. Erfolgreicher Abschluss in Webdesign im Rahmen eines Hochschulstudiums (2008). Weiterentwicklung von Kreativitätstechniken durch Kurse in Freiem Zeichnen, Ausdrucksmalen und Theatre/Acting. Profunde Kenntnisse des Kunstmarktes durch langjährige journalistische Recherchen und zahlreichen Kooperationen mit Akteuren/Institutionen aus Kunst und Kultur.