Information hilft am meisten, wenn sie geordnet zugänglich gemacht wird, weshalb wir allen, die sich mit einem Künstler näher beschäftigen möchten, in dieser Kategorie die grundsätzlichen Basis-Informationen aus dem Leben dieses Künstlers zusammenstellen – als komfortable Ausgangsbasis für die nähere Beschäftigung mit diesem Künstler und seinem Werk:
Mike Kelley wurde am 27. Oktober 1954 geboren und starb (vermutlich) mit 57 Jahren am 31. Januar 2012.
Geburtsort, Eltern, Schule
Mike Kelley ist in Detroit geboren, der ehemals berühmten Autostadt im amerikanischen Bundesstaat Michigan. Von seiner Familie ist bekannt, dass Kelley und seine vier Geschwister streng im römisch-katholischen Glauben erzogen wurden, dass sein Vater Schul-Hausmeister war und seine Mutter als Köchin in der Kantinen der Ford-Werke tätig war.
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Erste Spuren der künstlerischen Begabung
Mike Kelley soll schon als Schüler Interesse und Begabung für Kunst gezeigt haben, wurde in der Detroiter Schule, an der sein Vater als Hausmeister arbeitete, dafür jedoch zum Sonderling abgestempelt. Er hat das verklemmte Vorstadtmilieu und seine daraus folgenden Demütigungen nie vergessen und in seinen frühen Werken vielfach verarbeitet, mochte jedoch nicht auf seine Biografie reduziert werden.
Ausbildung zum Künstler
Mike Kelley studierte zunächst Kunst an der University of Michigan in Ann Arbor, an der er 1976 mit dem BFA (Bachelor of Fine Arts) abschloss, und wechselte dann zum California Institute of the Arts, Valencia, wo er 1978 den MFA (Master of Fine Arts) ablegte.
Am California Institute of the Arts wurde damals Malerei und Fotografie, Musik und Video, Performing Arts und Theorie unter einem Dach unterrichtet, ein für die damalige Zeit noch sehr ungewöhnlicher Ansatz, in dessen Möglichkeiten sich Kelley in alle Richtungen ausprobierte.
Der Weg zum eigenen Stil
Seine ersten Werke zeigen Kelley noch mitten in der Phase der Auflehnung gegen seine Erziehung, er verarbeitet Bilder aus der Kindheit und verschüttete Erinnerungen, beschäftigt sich mit den Subkulturen, in die er in seinen jungen Jahren entflohen war.
Die einengende Intoleranz seines kleinbürgerlichen Elternhauses wuchs sich bei Kelley zur gewaltigen Aversion gegen den Mainstream aus, gegen die Saubermänner in Amerika.
Schon frühe Arbeiten kritisieren die amerikanische Massenkultur und die Trash-Kunst, die er in seinen Installationen mit abgewetzten Stofftieren bösartig auf den Arm nahm.
Zeit seines Lebens schlug Kelley zurück, mit doppelbödigen Fotos und Videos von Highschool-Traditionen, bizarren Bildern von Schönheitswettbewerben und Kostümfesten, mit Videos und Performance, Malerei und Bildern aus „gefälligem Material“, immer umstritten und angefeindet nicht nur von denen, deren Kultur-Abfall er auf die Schippe nahm.
Der künstlerische Durchbruch
Mit genau solchen Installationen wurde Kelley um 1986 schließlich in der breiten Öffentlichkeit bekannt, ganze Rauminstallationen mit bissigem Kitsch, Häkeldeckchen und alte Plüschtiere und Flohmarkt-Puppen, die sich zu irritierenden bis verstörenden Gruppen zusammenfanden.
Die Werkgruppe „Half a Man“, 1987 – 1991, ebenfalls in diesem Stil, brachte ihm schließlich den internationalen Durchbruch. 1992 druckte die Band „Sonic Youth“ eines seiner Häkel-Geschöpfe auf dem Cover ihres neuen Albums „Dirty“ ab, und die erste Auflage enthielt eine Fotografie, auf der Kelley die Performance-Künstler Sherry Rose und Bob Flanagan nackt abbildet, in anstößigen Posen mit fast überlebensgroßen Stoffpuppen. Das brachte diesen im doppelten Sinne des Wortes „Kunstgeschöpfen“ und ihrem Schöpfer noch mehr Popularität.
Kelley sah seine Stofftiere nicht wirklich als Tiere, sondern als Babys, als „geschlechtslose Humanoiden“, sauber und aus Plüsch und niedlich. Plüschtiere würden Babies gegeben, um ihnen zu sagen, wie sie sein sollen.
Solche Ziele seien absolut klassisch und inhuman. Sie standen für Kelley für das Streben nach einer Art christlicher Perfektion, die unerreichbar sei, besonders für Babys, wie er in einem Interview einmal sagte.
Berühmte Kunstwerke von Mike Kelley
Berühmte Kunstwerke von Mike Kelley gibt es viele, vor allem aus den Jahren 1986 bis 1992:
- Animal Self and Friend of the Animals, 1987
- Black-Eyed Susan, 1987
- Pay for Your Pleasure, 1988
- The Renaissance Society, 1988
Sie sind immer vielgestaltig und immer fantasiereich, nie einfach nur hübsch und nie auf Anhieb zu begreifen.
Welche Art von Kunst macht Mike Kelley?
Jede Kunst, die ihm einfiel, mit jedem Material, das ihm einfiel. Seine nicht auf ein Gebiet begrenzte Ausbildung schenkte ihm eine weite Varianz an Ausdrucksmöglichkeiten, seine Neigung zum Underground jede Menge schräger Ideen.
Mike Kelley wird als Installationskünstler und als Performancekünstler eingeordnet, beeinflusst durch Popkultur, Massenkultur und Pornokultur, seine Arbeiten und Texte behandeln Weltanschauungssysteme ebenso wie die psychischen Abhängigkeiten der in diesen Weltanschauungssystemen gefangenen Menschen.
Mike Kelley war auch musikalisch interessiert, und an einer Verbindung von Musik und Kunst. Mitte bis Ende der 1970er Jahre regierten Disco und Country Rock, und Pop-Musik hatte jede „Avantgarde“-Relevanz verloren, während die Musik der Zeit davor (Jazz, Folk, Psychedelic) unverhohlen mit der Welt der Kunst und der Kunstproduktion verbunden war.
Dozenten an den Ausbildungsstätten der Kunst waren zum größten Teil überzeugt, dass alle Formen der populären Kultur in Rückentwicklung begriffen waren, Studenten waren uninteressiert, Rockmusik war zum Tanzen auf Partys da und definitiv keine Kunst.
Dann kam der britische Punk und gab der Pop Art ein neues Leben, das mit Aufkommen der „Design-Bands“ jedoch schnell wieder jeden Bezug zur Kunst verlor. Das wollte Mike Kelley ändern, er ging an das California Institute of the Arts, um bei Morton Subotnik zu studieren, eine der ersten Koryphäen auf dem Gebiet elektronischer Musik.
Daraus entstand dann schließlich „The Poetics“ mit Mike Kelley und Tony Oursler, die erste „Art-Band“, die aus dem California Institute of the Arts hervorging. „The Poetics“ war für Kelley und Oursler (vor allem von 1977 – 1983) ebenso ein Raum zum Austesten experimenteller Kunst wie eine Punkband, es entstanden zahlreiche Installationen, die z. B. 2013 von Tony Oursler als „The Poetics Project“ im Pariser Centre Pompidou ausgestellt wurden.
Ausstellung von Mike Kelley im MoMA
Für welchen Kunststil steht Mike Kelley?
Wie gesagt, Installationskunst und Performancekunst, aber auch grafische Kunst auf Papier und Malerei, Video Installationen und Filme und Musik-Kunst-Projekte.
Sein Name ist eng mit der Bewegung der New Gothic Art verbunden, die ihren Namen von einem Neogotischen Kunst-Manifest hat, das Gothic-Künstler Charles Moffat 2001 schrieb. In dieser Subkultur ging es um Rebellion gegen die Normalität, und Mike Kelley war mit dabei bei der Gothic-Ausstellung, die 1997 in Boston den Stil der Künstlergruppe prägte.
Es war eine Ausstellung des Institute of Contemporary Art von Boston, auf der außer Kelley u. a. Robert Gober, Jake und Dinos Chapman, Gregory Crewdson, Douglas Gordon, Cindy Sherman und Kelleys Freund Tony Oursler ausstellten.
Auch dem Lowbrow-Stil wird er zugerechnet, der „anspruchslosen Kunst“, die die Künstler seiner Zeit aus der amerikanischen „Surfkultur“ und „Kustom Kulture“ der 1950er Jahre und den Anfängen der Underground Comix entwickelten. Der auch „Pop Surrealism“ genannte Lowbrow passte gut zu Kelleys Werk, kennzeichnend sind Gemälde, Skulpturen und Installationen, in denen Material der Popkultur nach Vorbild der Surrealisten und phantastischen Realisten spielerisch-bösartig verarbeitet werden.
Die Vorbilder von Mike Kelley
Kelley hatte bedeutende Lehrer, den Konzept-Künstler John Baldessari und die Performerin Laurie Anderson, sie sollen Spuren in seinem Werk hinterlassen haben. Kelley selbst gab an, von Chris Burden und Joseph Beuys, Vito Acconci und den Wiener Aktionisten beeindruckt gewesen zu sein.
Wichtige Förderer von Mike Kelley
Zu den Förderern von Kelley gehören nicht nur seine bekannten Lehrer, sondern auch der rund 10 Jahre ältere Paul McCarthy, der mit Kelley eine Reihe Koproduktionen anfertigte, die Kelleys Prominenz Anfang der 1990er Jahre noch steigerte.
Mike Kelley als politischer Künstler
Mike Kelley war ein politischer Künstler ersten Ranges, der sich in seinen Arbeiten immer wieder mit dem Verdrängten und subkulturellen Phänomenen beschäftigt. Kelleys Politik war Gesellschaftspolitik, das Leben der Menschen untereinander, für ihn die Grundlage jeder politischen Entwicklung.
Kelley karikierte Erbauungskunst, mit der Botschaft: „Lass uns über Ungehorsam sprechen“, verarbeitete das Kinderbuch „Heidi“ zur Darstellung von Kindesmissbrauch, zeichnete Kindercomic-Charaktere zu Werken über Kastration, den Ödipuskomplex und kaputte Familienstrukturen um.
Interview mit Mike Kelley aus dem Jahr 2004 (in englischer Sprache)
Herausragend im Lebenswerk von Mike Kelley
Mike Kelley ist ein Künstler, der in herausragendem Maße alle Sinne seiner Betrachter beansprucht. Ein künstlerischer Synästhet, der den Rezipienten vor haptische, visuelle, akustische und olfaktorische Herausforderungen stellt, oft mit verstörender Wirkung.
Wichtige Ausstellungen und Auszeichnungen von Mike Kelley – ein Überblick
Kelley hat in Deutschland häufig ausgestellt, 1992 auf der Documenta 9, 1995 im Münchner Haus der Kunst und 1997 zusammen mit Tony Oursler auf der Documenta X. 2007 erregte er auf der Skulptur.Projekte in Münster mit seinen „Petting Zoo“ (Streichelzoo) Aufsehen.
2008 war er in der Münchner Sammlung Goetz sehen, 2011 in Einzelausstellungen im Haus Lange Krefeld und im Schinkel-Pavillon Berlin, insgesamt war er in Deutschland in rund 100 Ausstellungen zu sehen.
In den USA wurde Kelley fast 300 mal ausgestellt, in Frankreich gut 50 mal, in Italien und Großbritannien um 40 mal.
Kelley hat zahlreiche Auszeichnungen erhalten:
- 1984 Louis Comfort Tiffany Foundation Award
- 1985 National Endowment for the Arts Visual Artists Fellowship Grant
- 1987 Awards in the Visual Arts Grant
- 1990 National Endowment for the Arts Museum Program Exhibition Grant
- 1986 Artists Space Interarts Grant
- 1997 Skowhegan Medal in Mixed Media
- 1998 The University of Michigan School of Art and Design Distinguished Alumnus Award
- 2000 The California Institute of the Arts Distinguished Alumnus Award
- 2003 John Simon Guggenheim Memorial Foundation Fellowship
- 2006 Wolfgang-Hahn-Preis
Skandale um Mike Kelley
Mit seiner Kunst hat Mike Kelley viele Skandale verursacht, der größte Skandal war jedoch sein Tod: Er wurde am 31. Januar 2012 leblos in seinem Haus in Los Angeles gefunden, die Polizei ging von Selbstmord aus.
Was kostet ein Kunstwerk von Mike Kelley?
Niemals wenig: 2007 wurde die „Deodorized Central Mass with Satellites“ von 1991 vom Auktionshaus Phillips de Pury & Company für 2,7 Millionen Dollar versteigert. Seit seinem Freitod haben seine Werke im Preis auf dem internationalen Markt weiter zugelegt.
Ein Zitat des Mike Kelley zu seiner Kunst
Das berühmteste Zitat von Mike Kelley ist sicher das vom Plüschtier, das er als das „ideologische Modell eines Babys, das man ihm gibt, um ihm zu sagen, wie es sein soll“ bezeichnet.
Ebenfalls von ihm überliefert: „Früher verstand ich, warum Künstler populär waren oder Erfolg hatten – sogar, wenn ich ihre Arbeiten nicht mochte. Heute wirkt alles so beliebig.“
Nachlass und Nachwirken in die heutige Welt
Mike Kelley wird als einer der wichtigsten zeitgenössischen Künstler der Welt angesehen, seine Werke werden nicht nur teuer verkauft, sondern sind auch hochbegehrt in den internationalen Museen.
Er hat großen Einfluss auf die im folgende, heutige Künstlergeneration, auch wenn die sich etwas sanfter in Widerstand üben als Kelley in den achtziger Jahren.
Das momentane Ranking des Künstlers
Auf der internationalen „Bestsellerliste der Kunst“ von Artfacts.net belegt Mike Kelley im Jahr 2014, zwei Jahre nach seinem Tod, den Rang Nr. 17.
Literatur-Tipps zum Künstler und seiner Zeit
Interessante Lektüre hält „Hidden Stories: Armin Boehm, Olaf Breuning, Nigel Cooke, Mike Kelley“ der Arthena Foundation KAI 10 Raum für Kunst gerade für deutsche Kunstinteressen bereit. Hier wird Kelleys Werk dem Werk des Berliners Armin Boehm, dem Werk des in New York lebenden Schweizers Olaf Breuning und dem Werk des Amerikaners Nigel Cooke gegenübergestellt, alle drei der Generation nach Kelley angehörig.
Alle drei beschäftigen sich ebenso wie Kelley mit Grenzbereichen zwischen Realität und Fiktion, Bewusstsein und Verborgenheit, Rationalismus und Abstraktion und erschaffen wie er ebenso kritische wie utopische Gegenentwürfe der Realität, Visionen der Freiheit, die Kelleys Werk am Leben erhalten. Erschienen im Kerber Verlag, 1. Auflage am 19. Juli 2012.
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Spannende Links zu Mike Kelley
Der spannendste Link ist sicher immer der zum Original: Unter mikekelley.com finden Sie die Website des Künstlers, mit vielen Bildern seiner Werke und vielen weiteren Informationen.
Passionierte Autorin mit regem Kunstinteresse