- Isa Genzken: Eine Künstlerin an der Spitze – der (vor vor-)letzten Männerdomäne
- Isa Genzken: Schwer zu verstehende Kunst?
Stichworte: Bedeutendste deutsche Künstlerin, Frauen in der Kunstwelt, Gleichberechtigung, Medien-Berichterstattung und Privatleben, Zusammenhang von Erfolg und Qualität in der Kunst
Schwierige Trennungen, Internet-Meinungs-Vermache und zweifelhafte Suchergebnisse hin; schlechte mediale Vermittlung nicht auf Anhieb verständlicher Kunst und privates Künstler-Privatleben her:
Isa Genzken ist für wertende Kunstbetrachter schon lange die überhaupt wichtigste oder zumindest eine der führenden bildenden Künstlerinnen der Welt, z. B. wurde sie schon vor Jahren im jährlichen Künstler-Ranking des Kunstmagazins Monopol als „bedeutendste deutsche Künstlerin“ eingeordnet.
In nicht wertenden, sondern nach Präsenz in Ausstellungen, öffentlichen Sammlungen, Verkäufen schlicht abbildenden Informationssystemen zu Kunst ist das anders: Als Monopol sie zur bedeutendsten lebenden Künstlerin kürte, lag Isa Genzken z. B. auf artfacts.net so etwa auf Platz 250, aktuell belegt sie Platz 62 – allerdings unter den Künstlern der gesamten Welt, vor Giacommetti, Koons und Twombly.
Dies, obwohl Verkaufspreise das Ranking nachdrücklich beeinflussen, was für alle weltführenden Künstlerinnen von vornherein mächtige Abstriche bedeutet, weil sie Bruchteile ihrer männlichen Kollegen verdienen.
In diesem Zusammenhang lässt sich ein gleich unten im Kontext dargestellter Genzken-Ausspruch über „Männer als bessere Künstler“ wunderbar missverstehen und miss-zitieren. Es bleibt nur zu hoffen, dass sich in den anstehenden Jubiläumsfeiern rund um die Künstlerin nicht allzu viele Journalisten dazu hinreißen lassen, Männer-sind-besser-in- (oder Frauen-sind-besser-in-) Diskussionen anzufachen; das würde unsere Zivilisation – mit Gleichberechtigung der Menschen als Fundamental-Merkmal – noch mehr in den Abgrund stürzen (wussten Sie schon, dass es wieder ein Magazin namens FRÄULEIN gibt, „Anker in einem schnelllebigen Leben“, „in spielerischem Design auf Kultur, Mode, Ehrgeiz, Leben und Liebe aufbaut“ und „ein wenig emotionaler und authentischer als die anderen“?).
Von den Medien, die sich ernsthaft mit Kunst und Kultur beschäftigen, wird Isa Genzken unabhängig von irgendwelchen persönlichen/privaten Schwierigkeiten als eine der wichtigsten deutschen Künstlerinnen befragt, dargestellt und wahrgenommen.
Wobei der Teufel auch hier im Detail liegt: Manchmal wird ein Künstler thematisiert, um die Breite und Vielschichtigkeit seines Werks zu erfassen und darzustellen; manchmal ganz betont eine KünstlerIN, die es (nicht angesprochen, aber mitschwingend: trotz ihres Geschlechts) in der Kunstwelt sehr weit gebracht hat.
Manche finden es egal, dass auf Erfolg in Dollar ausgerichtete Rankings Künstlerinnen nicht auf angemessenen Plätzen abbilden, weil eine Ordnung der Kunst nach Begabungen und Güte von Kunstwerken ohnehin dem nützlichsten Sinn der Kunst für die Gesellschaft – die Bürger zum Denken anregen – konträr widerspreche.
Genau darum geht es aber, diese Rankings halten der Gesellschaft einen bösen Spiegel vor: Sie offenbaren, dass die Kausalitäten, die zu Erfolg oder Misserfolg in der Kunstwelt führen, zur Zeit nur zu einem kleinen Teil in den Begabungen der Künstler zu suchen sind.
Stattdessen haben Marktmechanismen die Kunst übernommen, die nicht die besten Werke nach oben spülen, genau wie sie auch nicht die besten Produkte nach vorne bringen, ganz im Gegenteil. Der beste Künstler ist der, der den Markt am besten beherrscht und nicht der, der die beste oder lange beständig gute Kunst macht.
Damit hat Begabung wenig Chancen, weil Marktbeherrschung neben unangenehmer Unverfrorenheit (die den meisten wirklich guten Künstlern fremd ist) auch durch hohe Investitionen erkauft werden muss.
Sicher braucht jede erfolgreiche Kunst auch Ideen, aber alle Menschen sind zur Entwicklung von Ideen fähig (wenn sie nicht bereits in der Schulzeit so glattgebügelt wurden, dass keine Kanten zur Ideenentwicklung übrig bleiben).
Sicher braucht jeder Künstler auch fachkundige Unterstützung bei der Präsentation in der Öffentlichkeit, aber daran hängt’s auch nicht, die wird jeder Künstler finden, der auf andere Menschen zugehen kann und sie von seinen Ideen begeistern kann (wenn er noch Begeisterungsfähigkeit übrig hat, bei nicht reich geboren Deutschen wird es in diesem Bereich zunehmend kritisch). So oder ähnlich ließe sich jeder Einflussfaktor hinterfragen, die ungleich verteilte Knete bei Beginn bleibt am Ende als limitierender Faktor für Erfolg in der Kunstwelt übrig.
Ein Einflussfaktor lässt sich leicht mit Fakten belegen: Als Mann geboren zu sein, ist für Erfolg in der Kunstwelt ein klarer Vorteil, weil sonst nicht 83 der 100 führenden Künstler der Welt Männer wären (und 77,4 % der 500 führenden Künstler). Klingt schlimm? Aber nein, die Frauen sind schwer im Kommen, 2012 waren unter den ersten 100 nur 16 statt 17 Frauen und unter den ersten 500 sagenhafte 80,8 % Männer.
Scherz beiseite, als Mann geboren zu sein, ist noch heute auch in der Arbeitswelt ein Vorteil und bringt dem Mann durchschnittlich einfach mal ein Fünftel mehr Lohn für nichts. Dazu wird viel geschrieben und viel geredet – momentan im Zuge der „MeToo“-Debatte etwas weniger, weil solche Kleinigkeiten angesichts Mengen von Männern in Machtstellungen, die ihre Finger oder andere Körperteile nicht von oder aus untergeordneten Frauen halten können, zwischenzeitlich untergehen – statt einfach darüber zu berichten, dass diese Tatsache sowohl den Menschenrechten als auch unserer Verfassung widerspricht und zu fordern, dass der Gesetzgeber endlich seine Pflicht erfüllt, ein Gesetz über gleichen Lohn für gleiche Arbeit zu erlassen.
Aber die Schwierigkeiten fangen doch schon damit an, dass Frauen belegbar schwächer sind als Männer? Wäre ein Argument, wenn auch der 1,70-Mann auf der Baustelle weniger verdienen würde als sein 1,90 m hoch gewachsener Kollege.
Isa Genzken kümmert sich wenig um theoretische Emanzipation und noch weniger um überflüssiges Medien-Gequatsche, sie hat sogar in einem Interview (bit.ly/2D33CdB) auf die Frage, ob Frauen es schwerer auf dem Kunstmarkt haben, „Nein, die sind einfach nicht so gut“ geantwortet.
Allerdings führt sie weiter aus: „Die besten Künstler sind schwul. Nehmen Sie Leonardo da Vinci, Michelangelo, auch Gerhard Richter.“ Der könne trotz seiner vier Kinder und drei Ehen unter „schwul“ (und „bester Künstler“) subsumiert werden, genau wie sie selbst schwul und ein guter Künstler sei.
Schwule Künstler seien viel sensibler und feiner; und Isa Genzken differenziert offensichtlich nicht nach irgendwelchen herkömmlichen, durch Geburt zufällig verteilten Geschlechtsmerkmalen.
Auf den Punkt gebracht, aber es hat mehrere Gründe, warum die Kunst von Isa Genzken etwas ganz Besonderes ist.
Warum die deutsche Kunstszene bei Wahrnehmung und Würdigung dieser Künstlerin so lange so profund versagt hat, ist trotzdem schwer zu verstehen (und „schwer zu verstehende Kunst“ ist für Fachleute keine Entschuldigung)
Passionierte Autorin mit regem Kunstinteresse