Haben Männer wirklich ein besseres räumliches Vorstellungsvermögen als Frauen?
Männer haben ein besseres räumliches Vorstellungsvermögen als Frauen? Nun ja, möglicherweise ist das wirklich so, wahrscheinlich ergeben sich abhängig davon, wie man räumliches Vorstellungsvermögen ganz genau definiert und in welcher Weise dessen Existenz überprüft wird, höchst unterschiedliche Ergebnisse.
Aber selbst wenn sich diese Annahme bestätigen sollte, heißt das nicht, dass sich Frauen mit einem Mangel an räumlichem Vorstellungsvermögen kampflos abfinden müssten. Denn die Einschätzung der dritten Dimension lässt sich trainieren, sogar von vollkommen Unbegabten, bei denen das Gehirn die benötigten Verbindungen erst komplett neu aufbauen muss.
Trainieren lässt sich dieses räumliche Vorstellungsvermögen natürlich hervorragend durch Kunst, durch dreidimensionale Kunst, bzw. eingeschränkt dreidimensionale Kunst. Denn einfach nur dreidimensionale Kunst wäre zu einfach, ein Würfel im Raum ist schlichtweg da, und er ist immer dreidimensional, und unser Gehirn nimmt ihn auch immer und ohne besonderes Training als dreidimensional wahr.
Dagegen bietet eine lediglich auf dem Papier dreidimensional erscheinende Darstellung ganz andere Möglichkeiten zur Anregung der entsprechenden Gehirnareale.
Kunst zum Training des räumlichen Vorstellungsvermögens
Es gibt viele Kunstwerke, die unsere räumliche Wahrnehmungskraft anregen, im Grunde die Werke aller Künstler, die die Gesetze der Perspektive entdeckt haben und anwenden. Also auf jeden Fall die Werke der meisten Künstler, die seit Beginn der Renaissance, der ersten Kunstepoche der Neuzeit, ihre Malereien angefertigt haben.
Denn in der Renaissance wurde die Zentralperspektive entdeckt, und mit dieser Entdeckung begannen „Malerarchitekten“ wie Giotto oder Filippo Brunelleschi (der sogar als der Erfinder der Perspektive benannt wird) Werke zu schaffen, die die traditionellen Motive einer christlichen Ikonografie auf einmal in einer räumlich korrekt aufgebauten Architekturkulisse abbildeten.
Auch Albrecht Dürer war für seine perspektivische Darstellung berühmt, er veröffentlichte sogar 1525 ein Buch mit der ersten Zusammenfassung der mathematisch-geometrischen Verfahren der Zentralperspektive, die “Underweysung der messung mit dem zirckel un richtscheyt”, und das Gros der nachfolgenden Künstler richtete sich nach diesen Erkenntnissen.
Es gibt jedoch Künstler, deren Werk sich besonders eignet, wenn Sie sich mit dem Raum und seiner Darstellung und der Wahrnehmung dieser Darstellung auseinandersetzen möchten. Zu ihnen gehört Maurits Cornelis Escher, der außergewöhnliche räumliche und dabei sehr witzige und manchmal schalkhaft ironische Zeichnungen und Grafiken geschaffen hat, die den Raum scheinbar korrekt abbilden und ihn dabei manchmal auf den Kopf stellen.
Maurits Cornelis Escher ist uns besser bekannt als M. C. Escher, und viele Menschen kennen seine verdrehten Zeichnungen, auf denen unmögliche Treppen und ebenso undenkbare Körperteile zu sehen sind, oder zweifelhafte Welten über und unter Wasseroberflächen oder auch Häuser, bei denen außen innen und innen außen ist.
Das Besondere: Das alles ist räumlich dargestellt, und es ist in einer Weise räumlich dargestellt, dass das, was eigentlich unmöglich erscheint, so aussieht, als wenn es wirklich passieren könnte: Die Hand kann sich selbst zeichnen, die ineinander verwundenen Knoten nehmen nie ein Ende und die Treppe kann endlos rundherum begangen werden, ohne dass es auf oder ab geht.
Bei M. C. Escher passiert eben einfach immer etwas mehr, als sich der Mensch eigentlich vorstellen kann, und etwas mehr, als tatsächlich möglich ist, aber rein von der Zeichnung her sieht das alles wunderbar logisch aus. Auf jeden Fall macht das Betrachten seiner Zeichnungen ziemlich viel Freude, und es regt auch nachdrücklich zum Überlegen an, wie dem Künstler diese Darstellung gelungen ist, wer zu lange hinguckt, gerät schnell in einen Zustand der Meditation.
Eschers Bilder begeistern Techniker und Mathematiker und Naturwissenschaftler und abseits dieser alle Menschen, die keine kitschigen Schnörkel mögen, sondern sehr präzise gezeichnete Bilder. Eschers Bilder passen übrigens auch zu jedem Wohnstil, und sie geben jeder Einrichtung einen individuellen Ausdruck, und wer Escher an der Wand hängen hat, zeigt auch gleich, dass er über die Welt nachdenkt und einen ironischen Abstand zu sich selbst wahren kann.
Wie und wo optische Täuschungen zustande kommen und wozu sie genutzt werden wird in den beiden nachfolgenden Videos von Prof. Bernd Lingelbach von der Fachhochschule Aalen erklärt (TV Beitrag des Senders ZDFinfo):
M. C. Escher – ein Künstler mit zögerlichem Start
M. C. Escher selbst ist erst auf Umwegen zu seinem elaborierten und erstaunlichen Werk gekommen, mit dem er tief in die Herzen der Intellektuellen in der Kunst vorgedrungen ist: Er wurde 1898 im niederländischen Leeuwarden geboren, Stadt in und Verwaltungssitz der Provinz Friesland. Der jüngste von fünf Söhnen eines Wasserbau-Ingenieurs erwies sich als ausnehmend schlechter Schüler, der zwei Klassen wiederholen durfte und sogar im Schulfach Kunst miese Noten produzierte.
Da war seine Begabung wohl noch nicht erkannt worden, und auch sein 1919 begonnenes Architekturstudium beendete Escher bereits nach einer kurzen Woche. In dieser Woche hatte sein Dozent Samuel Jessurun de Mesquita aber seine außerordentliche Begabung zum Glück bereits erkannt, und dass de Mesquita ihn von nun an privat in grafischem Zeichnen und grafischen Techniken unterrichtete, hat entscheidenden Einfluss auf Eschers Entwicklung gehabt, schon de Mesquita war ein ausgesprochener Freund von einem guten Schuss Ironie in der Bildgestaltung.
Die Alhambra und arabische Ornamentik
Weitere, Kennern bekannte, Elemente aus Eschers Bildern gehen auf seine Beschäftigung mit arabischer Ornamentik zurück, die er auf seinen Reisen ab 1921 z. B. in der Alhambra kennenlernte.
Die Alhambra in Granada übte auf ihn eine unvergleichliche Faszination aus. Die maurische Architektur, geprägt von subtilen, geometrischen Mustern, die sich ins Unendliche vervielfältigen, hat ihn wie verzaubert. Besonders interessiert ihn die Einzigartigkeit der islamischen Kunst.
Da im Islam nur wenige figürliche Darstellungen erlaubt sind, bringen die Kunsthandwerker ihr gesamtes Talent in organischen und geometrischen Mustern zum Ausdruck. Diese Muster sind oft von der Astronomie und Mathematik beeinflusst, Bereiche, die von den arabischen Architekten des 14. Jahrhunderts besonders geschätzt wurden. Es ist offensichtlich, dass der Einfluss auf M.C. Escher bedeutend war.
Auf seinen Reisen hatte Escher auch Italien kennengelernt, das ihm so gut gefiel, dass er sich mit seiner Frau nach der Hochzeit 1924 in der Nähe von Rom niederließ, 1926 kam der erste und 1928 der zweite Sohn.
Während dieser Zeit wurde Escher auch schon ein wenig bekannt, bis 1929 konnte er fünf Mal ausstellen, in der Schweiz und in den Niederlanden. Und das, obwohl er bis spät in die 1930er Jahre noch nicht zu seiner bezeichnenden grafischen Kunst gefunden hatte, er malte damals vor allem mediterrane Landschaftsbilder.
Escher entdeckt die Perspektive und deren Umkehrung
Mit Aufkommen des italienischen Faschismus zogen die Eschers in die Schweiz, und eine Reise mit einem erneuten Besuch der Alhambra soll 1936 für die Veränderung in Eschers Thematik verantwortlich sein: Er begann seine Periode der Metamorphosen, ornamentale Darstellungen mit ersten Zeichen und Zeichnungen von fantastischen Figuren.
1937 folgten ein weiterer Umzug in die Nähe von Brüssel und Experimente mit Flächenfüllungen, von Brüssel ging es 1940 kurz vor dem Einmarsch der Nationalsozialisten ins niederländische Baarn, wo Escher den Krieg durchlebte und einen Großteil des Werks seines ins Konzentrationslager Auschwitz verschleppten und dort ermordeten Lehrers de Mesquita rettete.
Nach dem Krieg wandte sich Escher in verstärktem Maße der perspektivischen Darstellung zu und erhielt damit immer mehr Aufträge, er verkaufte viele seiner Drucke für gute Bezahlung und wurde bis 1950 auch in den USA zu einem gefragten Künstler.
Jetzt entstanden seine vielfältigen grafischen Arbeiten, Escher war ein Meister des Holzschnitts und des Holzstichs und der Lithografie und beherrschte eine breite Palette grafischer Stile.
Unmögliche Möglichkeiten – Optische Täuschung als Wahrnehmungsphänomen
Seine Werke zeigten nun immer mehr perspektivische Unmöglichkeiten, die optische Täuschung als Wahrnehmungsphänomen wurde sein Markenzeichen und brachte ihm einen ähnlichen Status wie den eines Popstars ein. Gerne beschäftigte sich Escher auch mit Phänomenen wie Möbiusbändern oder Fraktalen, optischen Verzerrungen und Spiegelungen, es gibt z. B. ein Selbstporträt von ihm als Spiegelung in einer Glaskugel.
Escher begann in den 1940er-Jahren mit der Erprobung optischer Illusionen, indem er Figuren entwarf, die nur auf Papier existieren konnten. Denn Oben und Unten, Vorder- und Hintergrund sowie Innen und Außen waren nicht eindeutig zuordenbar. Der Clou war, dass die dargestellten Objekte auf den ersten Blick normal erschienen, der Bildaufbau logisch und die Perspektive natürlich wirkte.
Eschers aufgeräumter und klarer Zeichenstil verstärkte diesen Eindruck. Die naturgetreue Umgebung, wie Berge, Palmen, Häuserzeilen und Hinterhöfe, sowie die Menschen, die er hineinstellte, trugen dazu bei. Erst bei genauerem Hinsehen wurde deutlich, dass die Darstellung nicht funktionieren konnte. Es handelte sich um perspektivische Paradoxa.
Diese konnten zwar auf dem Papier einfach entworfen werden, als dreidimensionale Figuren in der physikalischen Realität waren sie jedoch unmöglich. Sie täuschten die Realität nur vor. Letztendlich handelte es sich um ein Spiel mit der Art und Weise, wie das menschliche Gehirn die visuelle Information der Augen interpretierte.
Die Wahrnehmungspsychologie kannte zahlreiche solcher „Fehler“. Das Prinzip bestand darin, dass das menschliche Gehirn im Laufe des Lebens lernte, wie die Linien auf dem Papier verlaufen mussten, um den Eindruck von Dreidimensionalität zu vermitteln – Abstände, Raumtiefe und Größenverhältnisse. Deshalb versuchte es auch aus Eschers Zeichnungen dreidimensionale Objekte zu konstruieren, scheiterte jedoch daran zuverlässig. Doch genau das machte den Reiz dieses Spiels aus.
Obwohl Escher nicht der erste war, der sich dieser Kniffe bediente, trieb er sie zur Meisterschaft. Auch seine „unmöglichen Bilder“ entwarf er zunächst zur eigenen Unterhaltung. Die Gebäude waren oft angelehnt an die maurische Architektur der Mittelmeerländer, die er als junger Mann besucht hatte, genauso wie die Landschaften im Hintergrund.
Escher wird zum Star, trotz aller Kunstkritik
Obwohl Maurits Cornelis Escher für seine Verwirrspiele von seinen Anhängern geradezu verehrt wurde, blieb er für die Theoretiker der Kunstgeschichte immer ein Problem, denn optische Täuschungen und perspektivische Unmöglichkeiten sind nun einmal keine klassischen Themen der Kunst, sie passen auch in keine traditionelle Schublade, viele Kunstkritiker verwehren Escher deshalb bis heute den Status eines Künstlers.
“Macht nichts”, würde Escher wahrscheinlich sagen und hätte es vielleicht viel interessanter gefunden, von Generationen von Mathematikern und Wissenschaftlern für seine exakten Arbeiten und seine sinnliche und sinnerfreuende Annäherung an mathematische Themen und wissenschaftliche Probleme bewundert zu werden.
M.C. Escher und die Mathematik
Die Euklidische Geometrie, Riemannsche Fläche, zylindrische Perspektive und hyperbolische Landkarte mögen für manche obskur klingen, doch für M.C. Escher waren sie die Werkzeuge seines künstlerischen Schaffens. Als leidenschaftlicher Anhänger mathematischer Theorien betrachtete er sie als sein Vokabular.
Eschers Begegnung und Freundschaft mit den Mathematikern Roger Penrose und Harold Coxeter trugen maßgeblich zur Entwicklung seines Wissens bei. So gelang es ihm, visionäre Werke zu schaffen, die phantasierte mathematische Bildprojektionen darstellten.
Zu den faszinierenden Objekten des Künstlers gehören auch die „unmöglichen Objekte“. Durch Vervielfachung der Betrachtungspunkte oder andere optische Tricks schuf er Formen, die in der realen Welt nicht existieren können. Das Möbiusband, ein endloses Band ohne Innen- oder Außenseite, sowie der Necker-Würfel, eine mehrdeutige Zeichnung der Kanten eines Würfels, sind nur zwei Beispiele.
Das Penrose-Dreieck, benannt nach Eschers Freund Roger Penrose, ist ein Objekt, das nur in zwei Dimensionen existieren kann. In der dritten Dimension wird die Illusion durch ein optisches Hindernis aufrechterhalten.
Eschers Werk ist ein einzigartiges Zusammenspiel von Mathematik und Kunst, das bis heute fasziniert und inspiriert.
Escher behauptete übrigens zur Überraschung vieler, selbst keine Ahnung von Mathematik gehabt zu haben. Dennoch wurde er durchaus häufiger zu mathematischen Vorlesungen eingeladen, ob er diesen Einladungen nachgekommen ist, ist nicht übermittelt. Bekannt ist allerdings, dass er in ganz Europa zahlreiche Vorlesungen über seine eigene Arbeit hielt, die außerordentlich gut besucht wurden, neben Wissenschaftlern übrigens auch von Esoterikern und Adepten der Popkultur.
Tod und Vermächtnis
Der Künstler starb 1972 im niederländischen Hilversum. 2002 wurde in Den Haag das Escher-Museum eröffnet, in dem sein grafisches Werk gezeigt wird, aber auch viele private Fotos und vor allem (für die Neugierigen) Arbeitsstudien, in denen ein Eindruck davon vermittelt werden soll, wie Escher seine scheinbar unmöglichen Geometrien gestaltete.
Falls Sie M. C. Escher noch nicht sehr gut kennen, lohnt es sich auf jeden Fall, sich mit seinem Werk genauer zu beschäftigen, und das nicht nur, um das räumliche Vorstellungsvermögen zu trainieren, sondern aus einem viel einleuchtenderen Grund: Maurits Cornelis Escher macht einfach Spaß!
Berühmte Werke von M.C. Escher
M.C. Escher hat im Laufe seines Schaffens 448 Drucke und über 2.000 Zeichnungen und Skizzen kreiert. Innerhalb dieser umfangreichen Sammlung haben einige Werke maßgeblich zu seinem Ruf beigetragen.
Besonders hervorzuheben ist hierbei „The House of Stairs“ – ein Haus, das den Betrachter aufgrund seiner verschiedenen Perspektiven und Blickwinkel schwindelig werden lässt. Die Architektur dieses Hauses ist vollkommen unmöglich und stellt somit ein einzigartiges Kunstwerk dar.
Eschers Illustrationen werden nicht nur von mathematischen Theorien inspiriert, sondern auch von der Kunst des Trompe-l’oeil beeinflusst. Diese Art von Bildern erzeugt eine Illusion, die im Auge des Betrachters entsteht.
Eschers Werke überschreiten die Grenzen durch perspektivische Effekte und den Einsatz von Licht und Schatten. In Hands wird die Illusion hauptsächlich dadurch erzeugt, dass die Hände aus dem Rahmen herausragen, der zuvor als Begrenzung des Kunstwerks erschien.
Kunstwerke Sammlung von Maurits Cornelis Escher auf Pinterest
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Weiterführende Informationen
- mcescher.com/ (Offizielle Homepage des Künstlers M.C. Escher)
- die-scheune.info/ (Offizielle Homepage von Prof. Bernd Lingelbach)
Passionierte Autorin mit regem Kunstinteresse