Seit die Schweizer Künstler Peter Fischli und David Weiss 1979 zum Künstlerduo Fischli & Weiss zusammengefunden hatten, hatte sich diese Partnerschaft schon einige Male als förderlich erwiesen, die beiden befruchteten sich gegenseitig und hatten schon mehrere Werke vorgelegt, die beim Publikum auf großes Interesse und ebensoviel Amüsement stießen.
Fischli & Weiss begannen gerade, langsam immer bekannter zu werden, als sie mit Ihrer im Film „Der Lauf der Dinge“ verewigten Wundermaschine im Jahr 1987 die Documenta eroberten:
Der wichtigste Erfolg von Fischli & Weiss
Der künstlerische Siegeszug der Künstlergemeinschaft Fischli & Weiss begann dann 1987 auf der documenta 8 in Kassel: „Der Lauf der Dinge“, ein skurriler und köstlich spannender und spaßiger Film, wurde bereits während der documenta zum absoluten Publikums-Hit, den auch außerhalb der Documenta so viele Menschen sehen wollten, dass er die Künstler in ziemlich kurzer Zeit international bekannt machte.
Dieser „Lauf der Dinge“ stellt „das Leben“ als Kunstfilm dar, indem ein kontinuierlicher Ablauf ähnlich wie bei einer Rube-Goldberg-Maschine in Bewegung gesetzt wird.
Diese Ähnlichkeit war gewollt, der Erfinder dieser so sinnlos die Welt umwälzenden Apparatur, Professor Lucifer Gorgonzola Butts, und der Erschaffer dieser genialen Comic-Figur, der amerikanische Cartoonist Reuben „Rube“ Goldberg, müssen die Welt wirklich ziemlich ähnlich gesehen haben wie die beiden Schweizer Künstler.
Eine Rube-Goldberg-Apparatur ist eine Quatsch-Maschine, vollkommen unnötig kompliziert, die eine mit Sicherheit nicht sinnvolle Aufgabe bewältigt – so umständlich wie möglich, mit so vielen Umwegen wie die Fantasie hergibt und in so vielen Einzelschritten wie sich Teilchen zusammenfügen lassen.
Schon Rube Goldberg und sein Professor Gorgonzola sahen den Sinn ihrer Maschine ausschließlich darin, einem Beobachter Vergnügen zu bereiten, und genau das schafft auch der im Film „Der Lauf der Dinge“ abgebildete Ablauf:
Der Zuschauer sieht eine Konstruktion, die über eine Länge von etwa 25 Metern auf nicht immer erkennbare Weise Flammen und chemische Reaktionen, alle möglichen Bewegungen, Schaum und Explosionen und noch viele Ereignisse mehr erzeugt, nacheinander in einer Kettenreaktion, in der jede Aktion die jeweils nächste in Gang setzt.
Die Bestandteile dieser Maschine sind typischerweise auch nicht unbedingt technisch sinnvoll, es kommen Reifen und Dosen, Kunststoffflaschen und Luftballons, Feuerwerkskörper und vieles andere zum Einsatz, wirklich charakteristische Objets trouvés, vorgefundene Alltagsgegenstände, die nun zu einem Kunstwerk werden.
Diese Maschine sucht ihren Sinn allein in ihrer Tätigkeit, frei nach dem berühmten Zitat des englischen Philosophen David Hume: „Daraus, dass eines auf das andere folgt, folgt gar nichts.“
Ein einziger großer Spaß, und wenn Sie Chemie und Physik bisher langweilig fanden, sollten Sie sich diesen Film über die Maschine, die nichts kann und nicht tut als zu „maschinen“, unbedingt anschauen.
Viele internationale Ausstellungspräsenzen der Künstler Fischli & Weiss folgten
Die ersten Einzelausstellungen fanden zwar schon 1985 statt, im Kölnischen Kunstverein und der Kunsthalle Basel, und 1987 hatten es die Künstler bereits ins Museum of Contemporary Art in Los Angeles geschafft. Nach dem auf der Documenta hingelegten totalen Publikumserfolg ging es aber erst richtig los: Fischli/Weiss durften die Schweiz noch mehrfach vertreten, bei der Biennale in Venedig und bei anderen wichtigen internationalen Kunst-Festivitäten.
Es folgten über 300 Ausstellungspräsenzen quer durch die ganze Welt, und heute ist das Künstlerduo wohl in jedem Museum für zeitgenössische Kunst vertreten, das etwas auf sich hält.
Sammlungen von Arbeiten des Künstlerpaares haben sich inzwischen ebenfalls an sehr vielen Orten eingefunden: In der Art Collection Deutsche Börse, Frankfurt und im Centre Pompidou, Paris, in der Galleria d´Arte Moderna, Turin und in den Staatliche Museen zu Berlin, im Kunsthaus Zürich und im Kunstmuseum Basel und im Kunstmuseum Liechtenstein, Vaduz, im MACBA Barcelona und im Middlebury College Museum of Art, im museum in progress, Wien und im SAFN Museum Reykjavík und im Schaulager Basel, in der Vancouver Art Gallery und im Walker Art Center in Minneapolis und noch an über 30 anderen Kunsstätten irgendwo in unserer schönen Welt.
Auf der Biennale Venedig sind die beiden Künstler schon fast zu Hause, 1988, 1995, 1999, 2003, 2011 und 2013 waren sie dort. 1987 und 1997 war die documenta in Kassel an der Reihe, 1992 füllten Sie den „Swiss Pavillon“ auf der Expo, der Weltausstellung in Sevilla, und die Biennalen in São Paulo (1989), in Sydney (1990, 1998, 2008), im brasilianischen Porto Alegre (2008) und in Gwangju, Südkorea (2010) fanden ebenfalls nicht ohne Fischli & Weiss statt.
Was kostet ein Kunstwerk von Fischli & Weiss?
Nicht unbedingt sehr viel: Der bedingungslos sehenswerte „Lauf der Dinge“ („The Way Things Go“) entfaltet sich in voller Pracht und Unsinnigkeit auf DVD bereits ab 29,90; eine DVD von garantiert guter Qualität können Sie auf www.artfilm.ch/der-lauf-der-dinge-dvd für 47,00 CHF (38,05 €) bestellen.
Aber Sie können natürlich auch ein wenig mehr ausgeben: Im September 2012 wurde die Gummi-Skulptur „Kerze“ von 1986 für knapp 192.000,- Dollar verkauft, im Mai 2013 ging „One Who Left to Learn Fear“, eine köstliche, aber recht winzige Skulptur aus ungebranntem Ton, für gut 37.000,- Dollar weg, ebenfalls im Mai 2013 brachte der Gelatinesilberdruck der Fotografie „The Car of Evil“ 57.500,- Dollar ein.
Oder Sie haben Glück und erwischen einen „Fischli & Weiss“ bei einer Veranstaltung wie der vor einigen Jahren durchgeführten Versteigerung zugunsten der SOS-Kinderdörfer: Das Bild von Fischli & Weiss erzielte zwar den Höchstpreis, vor Werken von Jörg Immendorff, Jonathan Meese, Thomas Bayrle, Cosima von Bonin und Martin Kippenberger – aber dieser Höchstpreis belief sich auf nur 13.000 Euro, die Werke aller gerade genannten Künstler bewegen sich sonst deutlich außerhalb solcher“Peanut-Preise“.
Rezeption und Würdigung von Fischli & Weiss
Spätestens seit dem ersten Documenta-Auftritt besteht in Kritiker-Kreisen weitgehend Einigkeit darüber, dass die Künstlergemeinschaft Fischli & Weiss zu den bekanntesten und erfolgreichsten Protagonisten der zeitgenössischen Schweizer Kunst gehören.
In der Künstlerliste der größten Künstlerdatenbank Artfacts.net werden Fischli & Weiss 2012 auf Platz 19 geführt, und im Kunstkompass des „manager magazins“ nahmen die beiden Platz 26 unter den 100 weltbesten Künstlern ein.
Darüber hinaus gehörten Fischli & Weiss natürlich zu den Lieblingen der Kunst-Didakten – ob Fotografie oder Skulptur, Installation und/oder Film, man muss schon eine Weile suchen, um Kunst zu finden, die näher am alltäglichen Leben und zugleich so überraschend und amüsant ist.
Diese Kunst macht auch Menschen Spaß, die vollkommen ohne Kunstwissen auskommen, und sie erlaubt auch diesen Menschen ohne Mühen einen unmittelbaren Zugang.
Künstlerische „Kollegen“ von Fischli & Weiss
Kunstkritiker sehen in der oftmals parodierenden Haltung ihrer Arbeiten Parallelen zum unvergessenen Dadaisten, Surrealisten und Konzeptkünstler Marcel Duchamp und natürlich zum Kinetik-Künstler Jean Tinguely, aber auch zum Schweizer Dichter und intermedial arbeitendem Künstler Karl-Dietrich Roth (Diter oder Dieter Roth).
Wenn es speziell und das Thema der Rube-Goldberg-Apparatur oder „Was-passiert-dann-Maschine“ geht, gibt einige Künstler zu erwähnen, diese Spielerei ist in der Kunst (glücklicherweise) alles andere als neu: Bereits in der Barockzeit ergötzte man sich gerne an kunstvoll erdachten und gebauten mechanischen Apparaten und Wasserspielen, bei denen sehr häufig bereits ein gutes Quentchen Schabernack mit verbaut wurde.
In der Moderne wurden diese Anfänge dann zur „kinetischen Kunst“ und in den 50er und 60er Jahren des letzten Jahrhunderts wirklich populär. Man Ray und Marcel Duchamps bauten kinetische Bewegungs- und Lichtobjekte, von den Künstlern Naum Gabo und László Moholy-Nagy, Alexander Rodtschenko und Wladimir Tatlin kennt man konstruktivistische Maschinen.
Mehr oder weniger mögliche oder unmögliche Weltmaschinen in Anregung Rube Goldbergs tauchen in neuerer Zeit auch beim amerikanischen Künstler Tim Hawkinson auf, komplexe Geräte, die Musik oder abstrakte Kunst „herstellen“. Der Künstler Christoph Korn entwarf 2008 eine ganze Serie von digitalen „NON Maschinen“ mit einfachster Programmierung, die den Betrachter mit Verlangsamung und Entnetzung, Wissensentzug oder Nicht-Funktionalität konfrontieren.
Der Einfluss von Fischli & Weiss auf nachfolgende Künstler
Vor allem in der Schweiz gibt es natürlich einige junge Künstler, die sich an dem berühmten Duo orientieren. Das leider Ende April 2012 auseinander gerissen wurde, als David Weiss in Zürich seinem Krebsleiden erlag.
Peter Fischli arbeitet weiter, zunächst noch an Arbeiten, die er zusammen mit seinem Partner begonnen hatte: Im März 2013 wurde vor der Serpentine Gallery in London’s Kensington Gardens die Skulptur „Rock on Top of Another Rock“ enthüllt, die in vierjähriger gemeinsamer Arbeit entstand.
Wie der Name schon sagt, besteht diese Skulptur aus „einem Stein auf einem anderen“, riesige Findlinge, von denen der eine so genau austariert auf dem anderen sitzt, dass aussieht, als wäre er in dieser Sekunde auf ihm gelandet. Die Mischung aus Stonhedge-Remineszenz und alltäglichem Orientierungspunkt für Touristen bleibt ein Jahr in den Kensington Gardens und wandert dann nach Doha, Qatar, dort wo aller Stein zu Sand wird.
Auch die Weiterführung der kinetischen Kunst à la „Lauf der Dinge“ ist bereits in Entwicklung – man nennt sie „kybernetische Kunst“, und hier reagiert das Kunstwerk auf äußere Einflüsse, z. B. auf menschliche Einwirkung oder elektronische Impulse.
Schon in den 1960er Jahren erdachte der Vater der kybernetischen Kunst, der ungarische Künstler Nicolas Schöffer, seine Kybernetischen und Spatiodynamischen Türme. Inzwischen beziehen viele Künstler aufregende technische Konstruktionen in ihre Kunstwerke ein, die durch Naturkräfte oder Motoren, Uhrwerke oder manuell bewegt werden, diese Künstler sind absolut auf dem neusten Stand der Technik, und auch computergesteuerte Kunstobjekte sind heute alles andere als eine Seltenheit.
Was sagen Fischli & Weiss über sich und das Leben?
Beide Künstler haben sich immer schon wenig über die an sie herangetragenen Deutungen ihrer Arbeiten geäußert. Das wird dann natürlich auch wieder gedeutet, so schrieb das Kunstmagazin „Art“ über „subversive Nonsens-Botschaften“ des Künstler-Duos, und Kritiker stellten die beiden nur zu gerne in die Tradition der Dadaisten.
Die Künstler selbst schwiegen auch dazu, schauten mit amüsierten Kinderaugen in die Welt, bauten diese Welt dann mit ihren Kinderhänden ein wenig um, und brachten damit dann auch Erwachsene zum Lachen.
Fischli & Weiss zeigten ihre mehr als ironische Einstellung zum Leben lieber in ihren Werken: Die vom Werkschaffen losgelöste Kunstauffassung der Konzeptkunst, besonders in der Form des „Ready made“-Einbezugs gerade vorhandener Dinge, wird von ihnen schon einmal kräftig auf die Schippe genommen, wenn sie scheinbar alltägliches Atelierzubehör in den Ecken eines Museumsraums arrangieren, die sie in feinster Handwerksarbeit sorgfältig aus Polyurethan-Schaumstoff schnitzen, anschließend lebensecht bemalen und damit die zunehmende Geringschätzung künstlerisch-handwerklicher Arbeit innerlich lächelnd ad absurdum führen.
Ein solches Kunstwerk steht auch absolut in der alten Tradition des Trompe-l’oeil, der meisterlich ausgeführten Augentäuschung, und eigentlich tun Fischli & Weiss damit genau das, was nach dem traditionellen Kunstbegriff des „Kunst kommt von Können“ von einem Künstler erwartet wird, nämlich die Natur möglichst naturgetreu nachzuahmen …
Peter Fischli hat noch nichts dazu bekanntgegeben, wie seine Arbeit nach dem Verlust seines Kollegen und Freundes David Weiss weitergehen soll, er möchte erst einmal alle gemeinsam begonnenen Projekte beenden, um sich dann nach und nach der Frage zu nähern, wie seine Kunst ohne den bisherigen Partner aussehen soll.
Passionierte Autorin mit regem Kunstinteresse