Sigmar Polke ist einer unserer prominentesten Künstler – und dennoch gab es um seine Werke wohl nie ein solches andauerndes Medienspektakel wie um die Werke vieler anderer gefeierter Künstler. Damit ist Polke einer der Beweise dafür, wie viel es abseits der kommerziell am meisten gefeierten Kunst zu jeder Zeit zu entdecken gibt für alle, die selbst sehen können und gerne noch mehr selbst sehen lernen möchten.
Polke gehörte nie zu den Künstlern, der dauernd durch öffentliche Auftritte oder in den Medien von sich reden machte, und doch wurde in der Kunstwelt mehr über ihn geschrieben als über viele seiner lautstarken Kollegen. Denn er hat eine beachtliche Karriere hinter sich und bedeutende Auszeichnungen empfangen.
Zu Beginn seines Lebens musste Polke wie viele seiner Zeitgenossen mehrere kriegsbedingte Ortsveränderungen ertragen. Er wurde 1941 im niederschlesischen Oels geboren, von dem aus die Familie nach Kriegsende 1945 zuerst nach Thüringen floh. Die politische Landschaft in der DDR sagte den Polkes jedoch schon in den Anfängen nicht zu, bereits 1953 flohen sie aus der DDR nach West-Berlin und zogen von dort aus weiter nach Nordrhein-Westfalen, ins niederrheinische Willich.
Nach der Schule ging Polke von 1959 bis 1960 im nahegelegenen Düsseldorf bei einem Glasmaler in die Lehre. Nach dem Abschluss begann er 1961 ein Studium an der Kunstakademie Düsseldorf. Er lernte bei Gerhard Hoehme und Karl Otto Götz, zwei herausragenden Vertretern abstrakter Malerei und des deutschen Informel.
An der Akademie lernte Polke Gerhard Richter und Konrad Lueg kennen, mit denen er bereits 1963 “einen Kunststil gründete”, wie die Freunde es nannten. Diesem Kunststil gaben sie den Namen “Kapitalistischen Realismus”, eine ironische Anspielung auf die Kunstrichtung der DDR mit ihrer offiziellen Bezeichnung „Sozialistischer Realismus“.
Der Konzeption folgte schnell die erste Realisation, die Aktion “Leben mit Pop – Eine Demonstration für den Kapitalistischen Realismus”. Die erste öffentliche Ausstellung, bei der neben Richter und Lueg auch Manfred Kuttner beteiligt war, fand ebenfalls 1963 in einem Abbruchhaus in der Düsseldorfer Kaiserstraße statt. Die Künstlerfreunde wollten sich mit ihrem Kapitalistischen Realismus aber nicht nur abgrenzen, der Begriff stand auch für ihre kritische Sicht des beginnenden Massenkonsums und des ohne Nachfragen forcierten Fortschrittsglaubens.
Außerdem wollten sich die Künstler als die deutsche Antwort auf die amerikanische Pop-Art sehen, getreu der Bedeutung „popular art“ = „volkstümliche Kunst“ realisierte Polke auch seine Werke der sechziger Jahre. Er verarbeitete ausschließlich Massenprodukte des täglichen Lebens, ob es sich um Schokolade handelte, Badewannen oder Liebespaare.Die er stilgenau immer mit den passenden Untergründen kombinierte, zum Beispiel einer wohlbekannten Tapete oder einem viel verkauften Stoff.
Dieses mit viel Witz durchgeführte Konzept, dass die Ironie deutlich spüren ließ, kam gut an: 1966 erhielt Polke den Kunstpreis der deutschen Jugend in Baden-Baden. Er blieb jedoch in seinem Stil nie stehen, sondern bediente sich in seinen Motiven in der Reklamemalerei der Zeit, wechselte gelegentlich zur Punktraster-Technik, die er ungewöhnlich grob auflöste, und verwendete schon sehr früh auch Materialien, die noch nach dem Malen lebendig blieben, zum Beispiel die Farbe wechseln konnten.
Seit diesem Kunstpreis 1966 war Sigmar Polke ein gefragter Künstler, der jedes Jahr mehrere eigene Ausstellungen veranstaltete und sich lebhaft an Gemeinschaftsausstellungen beteiligte.
1967 machte Polke dann seinen Abschluss an der Kunstakademie, 1970 und 1971 wurde er an die Hochschule für bildende Künste in Hamburg als Gastprofessor berufen, von 1977 bis 1991 lehrte er dort in einer festen Professur.
Er war mit seiner Kunst drei Mal auf der documenta vertreten (documenta 5 1972, documenta 6 1977 und documenta 7 1982), wurde 1975 auf der 13. Biennale São Paulo ausgezeichnet, nach einigen innerdeutschen Auszeichnungen folgte 1986 der Goldenen Löwe der 47. Biennale Venedig.
Polke konnte in Folge noch viele Kunstpreise erringen, heute können seine Werke auf vielen nationalen und internationalen Ausstellungen von der Öffentlichkeit besichtigt werden, oder man sieht sich die wunderschönen Sigmar-Polke-Fenster im Zürcher Grossmünster an, die fünf Glas- und sieben Achatfenster sind seit 2009 zu besichtigen.
Sigmar Polke gehört zu den Künstlern, bei denen es viel zu entdecken gibt und bei denen es gewaltige Freude macht, immer Neues entdecken zu können. Polkes erfindungsreiche Kunst ist wahrscheinlich momentan auch noch ein guter Tipp für Sammler, signierte und nummerierte Serigraphien von ihm sind mit etwas Glück noch für dreistellige Summen zu erwerben.
Weitere Informationen zu Galerien und Ausstellungen mit Werken von Sigmar Polke finden Sie über folgenden Link:
Passionierte Autorin mit regem Kunstinteresse