Alte Baukunst lohnt auf jeden Fall die Betrachtung, und wenn Sie kurze Ferien zu kurzen Reisen im eigenen Heimatland nutzen, ist es die alte Baukunst in Deutschland, die in diesem Fall die Betrachtung lohnt. Genauer gesagt geht es uns heute um die Renaissance in Deutschland und deren Einfluss auf die Baukunst und Architektur.
Bewundernswerte Baudenkmäler gibt es in unserem Land in so reichlicher Auswahl, dass Sie sich für jede kürzere Reise eine Epoche vornehmen könnten: Wenn Sie die baulichen Hinterlassenschaften der alten Römer (siehe dazu den Artikel „Bauten in Deutschland – Die Anfänge von Antike bis Romanik“) bereits zur Genüge besichtigt haben, kommt im nächsten Urlaub vielleicht die gotische Baukunst an die Reihe (Ortsziele werden im Artikel „Gotische Baukunst in Deutschland“ vorgeschlagen).
Welche Epoche Sie sich vornehmen, hat natürlich auch mit Ihrem Ferienziel zu tun, die Baudenkmäler der Anfangszeit sind nun einmal nur im Westen und Süden Deutschlands zu besichtigen, die Gotik bietet schon etwas mehr Auswahl, und wenn Sie in der Zeitfolge bereits zur Renaissance vorgedrungen sind, können Sie Bauwerke aus dieser Epoche in ganz Deutschland besichtigen:
Die Renaissance als „neue Mode“ aus Italien
Während die ersten Vorbilder des gotischen Baustils aus Frankreich übermittelt wurden, war die Renaissance durch italienische „Baumode“ beeinflusst worden. Dem Land, in dem die vermeintliche Wiederbelebung der antiken Formen, von der die Renaissance ihren Namen hat, ihren Anfang nahm, dem Land mit den antiken Bauten.
Historiker mit unparteiischem Blick sehen diese Wiederbelebung nicht als bewusst intendierten Vorgang, sie sprechen nüchterner davon, dass die hohen Errungenschaften der Baukunst im kampfgeschüttelten Mittelalter schlichtweg etwas in Vergessenheit gerieten und man sich nun wieder auf die alten künstlerischen Höhen begeben wollte.
Der Aufnahme moderner Strömungen in der Architektur wurde damals, wie oft auch heute noch, zuerst durch die Avantgarde der Boden bereitet: Die Fugger waren es, die im Jahr 1509 ihre abgegrenzte Familienkapelle der St. Anna Kirche in Augsburg im angesagten italienischen Stil ausbauen ließen, und plötzlich wollten alle Augsburger im Stil der italienischen Renaissance bauen.
Die erste Kunde vom neuen Baustil war über Handelswege nach Augsburg gekommen, diese Handelsstadt zählte damals zu den bedeutendsten Metropolen Europas mit unzähligen Handelsverbindungen und war damals gleichzeitig eine der wichtigen Informationsbörsen der damaligen Zeit.
Allerdings waren solch ergiebige Beziehungen in die Welt nicht die Regel, und es gab auch keinesfalls über das ganze Land hinweg Handelswege, auf denen Reisende „den neuesten Klatsch“ in jeden Ort tragen konnten.
So hatten auch fortschrittlich gesinnte Baumeister im 16. Jahrhundert mit der Schwierigkeit zu kämpfen, dass sie die italienischen Bauten der Antike noch nicht einmal von Abbildungen her kannten und dass sie Berichte über die aktuellen Formen der italienischen Renaissance-Architektur meist aus zweiter oder dritter Hand übermittelt bekamen.
Deutsche Baumeister hatten es nicht leicht mit der Umsetzung der Renaissance
Bei der Umsetzung dieser nicht sehr genauen Berichte durch die Hände deutscher Baumeister kam es zu manchem Missverständnis; dass z. B. Ornamente aus textilen Musterbüchern als Vorbild für das Dekor einer Fassade dienten, war keine Seltenheit.
Architekturhistoriker haben beobachtet, dass es so im Deutschland des 16. Jahrhunderts zu einer Art bürgerlichen „Lego-Antike“ kam, bei der kleine Elemente den Fortschritt in der Baukunst zeigen sollten, aber in ihren einzelnen winzigen Formen wie an die herkömmlich aufgebauten Fassaden angeklebt wirkten.
Die deutschen Baumeister hatten es auch aus einem anderen Grund nicht leicht damit, diese aktuellen Einflüsse umzusetzen: Schon damals gab es unbewegliche und dadurch fortschrittsfeindliche Bürokratie, und in Deutschland sogar sehr viel davon.
Mehr noch und noch viel schlimmer, Deutschland war ein territorialer Flickenteppich aus zahlreichen winzigen Fürstentümern, die sich gerne und häufig untereinander bekriegten, für zusätzliches Konfliktpotenzial sorgte die religiöse Führung durch die Reformation, die Bürger standen fast rechtlos zwischen diesen Einflüssen und bezahlten die Zeche in den Auseinandersetzungen mit ihrem Leben und mit ihren Gütern. Das führte dazu, dass große Teile des Landes in ihrer Entwicklung zurückblieben.
Nur wo die machthabenden Fürsten lang genug Frieden hielten und den Renaissancestil als angesagte Form der modernen Kunst förderten, konnten eindrucksvolle Renaissancebauten entstehen. Gottseidank gab es einige solcher Fürsten über das ganze Gebiet des späteren Deutschland verstreut, und es gab Baumeister, deren stetes Interesse an fremden kulturellen Einflüssen sie klüger machte.
So gelang schließlich der Anschluss an die italienische Renaissance, spätestens mit den Schlossbauten, dem Residenzschloss Dresden, Schloss Hartenfels im sächsischen Torgau und dem nach dessen Vorbild gebauten Berliner Stadtschloss zum Beispiel.
Renaissancebauten in Deutschland finden Sie in jeder Himmelsrichtung
Norddeutschland
Im nördlichen Teil Deutschlands waren die Gebäude der Renaissance im Vergleich zu anderen Regionen eher schlicht gehalten. Die Architektur zeigte keine ausgeprägte Vorliebe für die strikte Anlehnung an antike Vorbilder, wie es in Italien der Fall war. Stattdessen wurde die norddeutsche Renaissance maßgeblich durch den niederländischen Architekten Hans Vredeman de Vries (1526-1609) beeinflusst.
In Norddeutschland lohnt das Güstrower Schloss eine Besichtigung, und die Nikolaikirche in Stralsund, die mit einer sehr interessanten und elaborierten Innenausstattung aufwartet.
Ostdeutschland
Im Osten locken die Schlösser in Dresden und in Torgau, und in Halle an der Saale hat Kardinal Albrecht von Brandenburg zwischen 1514 und 1541 gleich mehrere repräsentative Renaissancebauten entstehen lassen: Die Moritzburg, der Dom, die Neuen Residenz und die Marktkirche bilden ein ganz eigenes, auf jeden Fall beeindruckendes Renaissance-Ensemble.
Sachsen hat in Sachen Renaissancebaukunst noch mehr zu bieten, ebenso wie Thüringen, in beiden Bundesländern sind viele Schlösser und Kirchen im Renaissance-Stil erbaut worden: Die Wilhelmsburg in Schmalkalden, das Gothaer Schloss, die Rudolstädter Stadtkirche, das Rathaus von Leipzig, der innere Chorraums des Doms von Freiberg und der Schönhof in Görlitz.Im Ostseeraum gibt es ebenso einige bemerkenswerte architektonische Meisterwerke aus der Renaissancezeit, wie beispielsweise das bereits erwähnte Güstrower Schloss und die Wismarer Bauten. Das Schloss wurde ab 1558 als Residenz für den Herzog Ulrich von Mecklenburg errichtet, während die mecklenburgischen Herzöge 1553 in Wismar den Fürstenhof als prächtige Sommerresidenz im italienischen Renaissancestil bauen ließen.
Die Fassade des Fürstenhofs ist mit halbplastischen Terrakottaplatten verziert, wobei figürliche Friese die drei Geschosse voneinander abgrenzen. Auf der Straßenseite erzählen die Friese Geschichten aus dem Trojanischen Krieg, während auf der Hofseite das Gleichnis vom verlorenen Sohn dargestellt wird. Das Eingangsportal aus dänischem Sandstein ist mit damals beliebten grotesk-figürlichen Darstellungen verziert. Der Fürstenhof gilt als das nördlichste Renaissanceschloss Europas.
Von 1580 bis 1602 wurde die „Wasserkunst“ im Stil der niederländischen Renaissance nach den Entwürfen des Utrechter Baumeisters Phillipp Brandin (um 1530-1594) erbaut. Das pavillonförmige Gebäude, das bis 1897 die Wasserversorgung der Stadt sicherstellte, hat einen regelmäßigen zwölfeckigen Grundriss und wird von zwölf Hermen getragen. Diese Pfeilerschäfte sind mit reliefartigen Kalksteinfiguren geschmückt und stützen ein geschwungenes kupfernes Glockendach mit einer sechseckigen Laterne.
Das „Schabbellhaus“, das von 1569 bis 1571 als Wohn- und Brauhaus nach den Plänen von Phillipp Brandin errichtet wurde, ist einer der frühesten und bedeutendsten bürgerlichen Renaissancebauten in Mecklenburg und im gesamten Ostseegebiet. Die Straßenfronten des zweigeschossigen Gebäudes und der geschweifte Beschlagwerkgiebel mit kannelierten Pilastern, der um vier Geschosse aufgestockt wurde, bestehen aus rotem Backstein, der durch weißen Sandstein eingefasst ist.
Deutschlands Westen
Im Westen hat Heidelberg mit seinem Schloss niederländisch geprägte Renaissance zu bieten, in Wolfenbüttel gibt es ein Welfenschloss und die evangelische Stadtkirche mit Zeugnissen des Renaissance-Stils zu besichtigen, ein ganzes Renaissance-Stadtbild finden Sie im historischen Stadtkern von Lemgo und in der Mitte von Hameln.
In Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen können Sie als weitere Beispiele der niederländisch beeinflussten Renaissance zahlreiche Herrensitze und Schlösser entlang der Weser besichtigen, deren Stil deshalb auch „Weserrenaissance“ genannt wird.
Der niederländische Künstler Cornelis Floris de Vriendt (1514-75) entwickelte mit seinem Beschlag- und Rollwerk sowie Knorpel- und Ohrmuschelwerk manieristische Dekorationsformen, die ab Mitte des 16. Jahrhunderts in Nordeuropa Verbreitung finden. Der sogenannte Floris-Stil zeigt sich in Deutschland vor allem an den Rathaus- und Bürgerhausfassaden der Weser-Renaissance (siehe baukunst-nrw).
Süddeutschland und Österreich
Süddeutschland und Österreich wurden Ende des 16. Jahrhunderts zu Zentren der Spätrenaissance (Manierismus). Man baute, im Gegensatz zur Gotik, keine Burgen mehr, man baute Fürstensitze, Schlösser oder Bürgerhäuser.
Die Werke der manieristischen Baukunst sind ein beeindruckendes Zeugnis vergangener Epochen. Die Stallburg, welche zwischen 1558 und 1569 entstand, sowie die Amalienburg, die 1605 durch den talentierten Pietro Ferrabosco vollendet wurde, sind nur einige Beispiele dafür. Besonders in München, einem wahren Zentrum des Manierismus in Deutschland, kann man zahlreiche faszinierende Bauten bewundern. Die ruhige und sanfte Tonalität dieser architektonischen Meisterwerke lässt die Besucher in eine andere Zeit eintauchen und vermittelt ein Gefühl von Eleganz und Schönheit.
- Jesuitenkirche St. Michael, 1583–1597, Architekt war Friedrich Sustris.
- Münchner Residenz, 1607–1619. Imposant und einzigartig präsentiert sich das Antiquarium als größter profaner Renaissancesaal nördlich der Alpen. Seine Ursprünge reichen bis ins Jahr 1385 zurück, als hier noch eine Wasserburg stand. Doch erst Kurfürst Maximilian I. verlieh dem Gebäude zwischen 1611 und 1616 seine heutige Pracht. Die Westfassade der Münchner Residenz erstrahlt seither in einer beeindruckenden Schaufassade, deren Architekturgliederung aufgemalt wurde. Verziert wird sie durch kunstvolle Skulpturen, darunter die Statue der „Patrona Boiariae“ von Hans Krumper aus dem Jahr 1614 und einige Bronzeplastiken.
Die bedeutenden Augsburger Renaissancebauten wurden oben schon erwähnt, neben diesen Fuggerhäusern entstand in der Spätzeit der Renaissance (1614 und 1620) das prachtvolle Augsburger Rathaus, das ebenfalls eine Ansicht lohnt. Im Süden können Sie dann noch in Landshut „authentische Renaissance“ besichtigen, die Landshuter Stadtresidenz wurde nämlich von italienischen Handwerksmeistern (wahrscheinlich die ersten Gastarbeiter der gerade beginnenden Neuzeit) erbaut.
In Aschaffenburg ist das Renaissance-Schloss Johannesburg zu besichtigen, das erst um 1610 gebaut wurde.
Wohin auch immer in Deutschland Sie in den Osterferien reisen, Sie werden immer einen Renaissancebau in der Nähe finden, der die Besichtigung lohnt. Touristisch interessante Baudenkmäler im Stil der Renaissance finden Sie hier: Quermania: Architektonische Denkmäler der Renaissance in Deutschland.
Auch der Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland gibt eine anschauliche Übersicht zu den Regionalen Baustilen der Renaissance in Deutschland
Die detaillierte Regionalkarte gibt es direkt beim Archiv des Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland als PDF-Download.
Inhaber und Geschäftsführer von Kunstplaza. Publizist, Redakteur und passionierter Blogger im Bereich Kunst, Design und Kreativität seit 2011. Erfolgreicher Abschluss in Webdesign im Rahmen eines Hochschulstudiums (2008). Weiterentwicklung von Kreativitätstechniken durch Kurse in Freiem Zeichnen, Ausdrucksmalen und Theatre/Acting. Profunde Kenntnisse des Kunstmarktes durch langjährige journalistische Recherchen und zahlreichen Kooperationen mit Akteuren/Institutionen aus Kunst und Kultur.