Einteilung muss sein, egal ob man es leicht genervt als „typisch deutsch“ bezeichnet oder ganz pragmatisch als willkommene Hilfe hinnimmt: Die ganze Kunstgeschichte wird von den Kunsthistorikern vier große Epochen eingeteilt, mit gutem Grund.
Die Kunst selbst ist als aktives Schaffen nämlich „ein bisschen“ älter als die Kunstgeschichte, genauer gesagt ziemlich wahrscheinlich selbst an der Menschwerdung beteiligt.
Die Entstehung der ersten „Homos“ wird traditionell üblicherweise am Gebrauch von Steinwerkzeugen (Geröllgerät) festgemacht. Das ist in Bezug auf die Abgrenzung vom Menschen zum Affen heute kräftig umstritten, und auch zum Kunst machen eignen sich Werkzeuge in Menschenhänden und in Affenhänden: Mit dem Werkzeuggebrauch begannen Homos vor 2,6 Mio Jahren, und die Affen vermutlich auch.
Die Ergebnisse können sich auch beim Affen zumindest dann sehen lassen, wenn das Werkzeug ein Pinsel ist – vergleichen Sie selbst, ob Sie es gerecht finden, dass diese Bilder: www.affenbrut.de/galerie-shop 160,- bis 240,- Euro kosten und diese Skulptur (übrigens ein Affe): www.focus.de 24 Millionen Euro.
Auf jeden Fall gibt es Kunst höchstwahrscheinlich viel länger, als uns überliefert ist. Gerade ergaben neue Radiokohlenstoffdatierungen, dass die ältesten erhaltenen Kunstwerke der Welt – Schmuck, figürliche Kunst mit mythisch-symbolischer Bildsprache und Musikinstrumente aus der Geißenklösterle-Höhle auf der Schwäbischen Alb – bis zu 43.000 Jahre alt sind, noch einmal ein gutes Stück älter als die 40.000 Jahre, von denen man bisher ausging.
Ob woanders auf der Welt noch ältere Kunst gefunden wurde? Werden Sie erfahren, schließlich beginnt die 1. Epoche der Kunstgeschichte, die Ur- und Frühgeschichte der Kunst, 600.000 v. Chr.:
1. Epoche der Kunstgeschichte: Kunst der Ur- und Frühgeschichte
600.000 v. Chr. bis zu den ersten Hochkulturen um 3.100 v. Chr.
Ganz grob: Jedes Kunstwerk, das entstand, bevor die Schrift entwickelt war, gehört in die Ur- und Frühgeschichte der Kunst.
Videomitschnitt: Entstehung und Funktion der Kunst in der Urgesellschaft
2. Epoche der Kunstgeschichte: Kunst des Altertums
Sobald sich irgendwo eine Hochkultur gebildet hat, ist die Frühgeschichte zu Ende, das Altertum beginnt.
Der Sprung von der Ur- und Frühgeschichte in die Geschichte des Altertums ist nicht nur in der Kunstgeschichte bedeutsam: Mit den ersten Hochkulturen wird die Urgeschichte zur Weltgeschichte, zur Weltgeschichte der Menschen.
Eigentlich unlogisch, die Entstehung des Homo sapiens, des anatomisch modernen Menschen, wie er heute noch existiert, wird ja in der Anthropologie (Wissenschaft vom Menschen) auf 200.000 Jahre v. Chr. datiert. Die Menschenkundler entschieden mit eher biologisch-anatomischem Blick, dass einige „Homos“ zu dieser Zeit ein Merkmalsgefüge zeigten, dass sie zum „Homo sapiens“ macht.
Sapiens ist lateinisch = verstehend, verständig oder weise, gescheit, klug, vernünftig. Diese Merkmale sah man im aufrechten Gang, kürzeren und kleinereb Gebiss, späterem Eintritt der Geschlechtsreife, einem vergrößertem Gehirn und damit ersten kulturellen und sozialen Leistungen, usw. usw.
Die Geschichtswissenschaftler sehen das offensichtlich ein wenig anders, wenn sie die eigentliche Geschichtsschreibung der Menschheit auf den Beginn der ersten Hochkulturen datieren. Den entscheidenden Hinweis, warum das so ist, geben uns die Merkmale, die eine Hochkultur aus Sicht der Historiker auszeichnen:
Die Hochkultur ist eine Gesellschaftsordnung, die eine komplexere Kultur als die Vorgänger und Nachbarn ausbildet, mit folgenden Merkmalen:
- Landwirtschaft mit Plan (Bewässerung, Vorratshaltung, Handel)
- Städte als Mittelpunkte von Handel und Herrschaft (fruchtbare Lage, Handelsknoten, militärische Sicherheit, Organisationseinheit)
- Politische Organisation der Gesellschaft mit zentralisierten Verwaltungssystem (Planung, Hierarchie, Regierungs-, Rechts- und Verwaltungssystem, Militärwesen)
- Arbeitsteilung, Gesellschaftsklassen mit Spezialisierung
- Hervorbringen anspruchsvoller künstlerischer Leistungen (Schriftkultur, Musik, bildende Kunst, Architektur)
- Entwicklung von Wissenschaften, einheitliches Kalendersystem, Religion
- Alle genannten Faktoren zusammen führen dazu, dass sich in einer solchen Gesellschaft ein gemeinsames Denken und Fühlen entwickelt
- Wichtige Voraussetzung ist die Entwicklung einer Schrift, ohne die alles gerade Angeführte nicht möglich wäre
Erst mit Schrift ist auch Aufzeichnung möglich, und so ist es nur logisch, wenn für Geschichtswissenschaftler die (dunkle) Frühgeschichte endet, sobald sich irgendwo eine Hochkultur bildete.
Wenn mit Entstehung einer Hochkultur das Altertum beginnt, müsste das Altertum an verschiedenen Stellen der Welt zu unterschiedlichen Zeiten beginnen. So ist es auch, zumindest in Bezug auf den Beginn des „Altertums im weiteren Sinne“.
Überraschend für all die, die die „Wiege der Menschheitskultur“ im Alten Ägypten und im Zweistromland sehen: Die älteste Hochkultur lag vielleicht in Europa: Ab ca. 5.000 v. Chr. wird die vorindoeuropäisch-chalkolithisch Donauzivilisation, auch Alteuropa genannt, datiert.
Allerdings mit dem entscheidenden Manko, dass diese Zivilisation keine interpretierbaren Schriftquellen überliefert hat, ob die dort gefundenen Vinča-Zeichen eine Schrift darstellen oder nur Symbole, um Gegenstände künstlerisch zu verzieren, ist strittig.
Sicher belegt sind die ältesten Hochkulturen in Asien und Afrika:
- ab ca. 4.000 v. Chr. entstanden die ersten Hochkulturen im mesopotamischen Zweistromland zwischen Euphrat und Tigris (heute Syrien + Irak, ein bisschen Türkei, Iran + Kuwait)
- ab ca. 4.000 v. Chr. wird der Beginn der Ägyptischen Hochkultur am Nil angesetzt
- ab ca. 3.500 v. Chr. vollbrachten die Elam in Chuzestan (heute Iran) erstaunliche kulturelle Leistungen
- ab ca. 2.900 v. Chr. übernahm die Stadt Mari im Zweistromland die Herrschaft (heute Tell Hariri in Syrien und mitten in der Plünderung durch Terroristen)
- ab ca. 2.800 v. Chr. blühte in Indien entlang des Indus die Indus-Kultur (nach ihrer Hauptausgrabungsstätte auch Harappa-Kultur genannt)
- ab ca. 2.800 v. Chr. erhob sich Ebla zum Stadtstaat und Kulturzentrum (heute Ausgrabung Tell Mardikh in Nord-Syrien, 55 km sw von Aleppo, wird auch gerade zerstört)
- ab ca. 2.340 v. Chr. entwickelte sich das Reich von Akkade mit Hauptstadt Akkad entlang des Tigris zum ersten organisierten Flächenstaat der Menschheitsgeschichte
- ab ca. 2.200 v. Chr. hatte die Oasen- oder Oxus-Kultur ihre Hochzeit (in Zentralasien, auf dem Areal der Wüste Karakum in Turkmenistan/Afghanistan)
- ab ca. 2.000 v. Chr. stieg die Erlitou-Kultur am Hung He (Gelber Fluss) in der chinesischen Provinz Henan zu hoher kultureller Blüte auf
In Amerika war man (zumindest mit der Überlieferung von Aufzeichnungen, für die „Kultur in real life“ schließen wir das nur) etwas später dran:
- ab ca. 3.000 v. Chr. brachten die Maya viel Kultur in das Gebiet Mexikos und Guatemalas
- ab ca. 2.900 v. Chr. hatte die Stadt Caral in Peru (Valle de Supe nahe Lima) ihre Haupt-Blütezeit
- ab ca. 1.500 v. Chr. erbrachte die Olmeken an der Golfküste Mexikos erstaunliche kulturelle Leistungen.
- Erst ab ca. 1.250 (n. Chr.) brachten die Inka wieder hohe Kultur auf den Kontinent, hauptsächlich auf dem Gebiet des heutigen Peru und Chile
- ab ca. 1.350 beherrschten die Azteken ausgehend vom Gebiet Mexiko-Stadt die umliegenden Gebiete auch kulturell
Fehlen noch nur noch Australien und die Antarktis auf der „Karte der Kunst des Altertums“. Sie fehlen auch wirklich in den Arealen, die erste Hochkulturen hervorbrachten:
Nach bisherigem Wissen wurde Australien vor etwa 50.000 Jahren durch die Aboriginis besiedelt, eine der letzten Etappen in der großen Ausbreitung des Homo sapiens von Afrika aus. Die Aboriginis haben keine Hochkultur hervorgebracht, sondern hatten etwas Pech mit dem besiedelten Land und mussten vor rund 20.000 Jahren mit einer eiszeitähnlichen Kälte zurechtkommen.
Wer dauernd fast erfriert, hat keine Zeit für Hochkultur; als sie sich später gut erholt/vermehrt hatten, waren (spätes 18. Jh.) auch schon die Europäer da, damit war erstmal Schluss mit einheimischer Kultur. Gerade ergab eine Genuntersuchung, dass vor gut 4.000 Jahren jede Menge Inder nach Australien übersiedelten, die haben Australien zwar vermutlich die Dingos, aber keine Hochkultur beschert.
Auch wenn die Antarktis früher einmal Terra australis hieß (wohinter ein riesiger Südkontinent vermutet wurde, ein genaues Gegengewicht zu den Landmassen der Nordhalbkugel), ist hier in Bezug auf Hochkultur natürlich nichts zu holen; wie gesagt, Frieren und Kultur passen nicht zusammen (und vor 1911 war da auch kein Mensch).
„Im engeren Sinne“ lassen die Geschichtswissenschaftler das Altertum einfach mit der Herausbildung der ersten Schriften beginnen, um 3.200 v. Chr. unabhängig voneinander in Mesopotamien und in Altägypten.
Apropos Schrift: Hier ist noch Luft für künftige Entdecker, wie bei der Donauzivilisation ist auch bei der Indus-Kultur strittig, ob sie wirklich eine Hochkultur ist, wegen der Schrift. Die längste bekannte Inschrift der Indus-Schrift umfasst 26 Zeichen, und auch wenn das zumindest von der Anzahl der Symbole her an unser Alphabet erinnert, konnte man noch keine Logik dahinter entdecken.
Seit den ersten Publikationen in den 1920er Jahren sind die Forscher in der Entzifferung der Indus-Schrift bis zur Jahrtausendwende kaum weitergekommen, weshalb man sie in gesunder Abwehr erst einmal aus dem Fundus der herkömmlichen Schrift aussonderte.
Bis zum Jahr 2009, als eine computerunterstützte Studie darauf bestand, dass es sich von der logischen Struktur um eine Schrift handele, diese aber auch nicht entzifferte.
Das ist bis heute so geblieben, die Indus-Schrift mit ihren Dreiecken, Kreisen mit kreuzartigen Zeichen, pflanzenähnlichen Bildern, Tiersymbolen und anderen rätselhaften Zeichen ist heute noch so mysteriös wie bei ihrer Entdeckung – ein echter Fall für einen hochbegabten Nerd mit Kenntnissen in Mathematik, Statistik, Analytik, Kunstgeschichte, der Grammatik mehrerer Sprachen und wahrscheinlich noch einigem mehr.
Die Kunstgeschichte des Altertums wird weiter unterteilt, traditionell so:
- Antike Kunst – hat nach den altehrwürdigen Kunsthistorikern nicht jede Hochkultur zustande gebracht, sie nennen ganz alleine die Kunstwerke der „alten Griechen“ und der „alten Römer“ so.
- Altägyptische Kunst – ist dann das, was in Ägypten zu dieser Zeit an Kunst produziert wurde, also auch einer frühen Hochkultur im Mittelmeerraum, aber eben auf der nicht-europäischen Seite, das „galt nicht so“.
- Die Kunst des Alten Orients ist der dritte große Block der Kunst des Altertums, er umfasst die Kunst sämtlicher Kulturen/Hochkulturen im alten Orient. Ohne einheitliche Definition von Raumes und Zeitspanne werden unter „Alter Orient“ Mesopotamien, Persien (Iran), Anatolien (vorderasiatischer Teil der Türkei) und die Levante (das „Morgenland“ an der östlichen Mittelmeerküste, also die heutigen Staaten Israel, Libanon, Palästina,, Jordanien, Syrien) subsummiert.
Dieses Altertum im engeren Sinne endet für die Geschichtswissenschaftler im Westen mit dem Beginn des Mittelalters, im Osten mit den islamischen Eroberungen, so zwischen 500 und 700.
Und es endete für den traditionellen europäischen Geschichtswissenschaftler auch vor den Toren des Mittelmeers; ganz Afrika unter der Sahara, Asien ab den oberen Zipfeln, Amerika vor Kolumbus und so etwas Exotisches wie Ozeanien (Australien und Co.) war kein Gegenstand seiner Betrachtung.
Wie denn auch, Expeditionen in diese Gebiete waren (wenn überhaupt denkbar) eine Lebensleistung, wer zurückkam, hatte viele Abenteuer zu erzählen; Geschichten mit Potenzial zu Sagenbildung, aber nicht zur fortlaufenden Untersuchung durch Wissenschaftler.
Heute haben wir dank Internet und Verkehrstechnik ein paar mehr Möglichkeiten und können über diesen Meeresrand hinauslinsen (die Linsen dazu sind auch inzwischen erfunden), und im „kleinen Rest der Welt“ haben wir noch einige Entdeckungen vor uns, künstlerische und andere…
Passionierte Autorin mit regem Kunstinteresse