Seit Beginn der Postkarte wird dieses Medium gerne von Künstlern genutzt. Durch den Einfluss von moderner Technik wurde der Kartenversand zwar weniger, dafür hat die kreative Komponente deutlich an Einfluss gewonnen. Das Spannende ist, dass heute jeder spielend zum Kartenkünstler werden kann.
Die Geschichte der Ansichtskarte
Es ist bis heute umstritten, wer die Postkarte erfunden hat.
Während die vermutlich erste Correspondenz-Karte im Jahr 1869 in Österreich-Ungarn aufgegeben wurde, spielten die Deutschen bei der Erfindung der Ansichtskarte eine tragende Rolle. Correspondenz-Karten wurden tatsächlich nur dafür genutzt, wofür auch ihr Name stand – zur Korrespondenz. Sie zeigten sich schmucklos. Eine Seite wurde für die Nachricht genutzt, die Rückseite für die Adresse.
Doch bereits ein Jahr später sollte sich das Design ändern. Bilder und Zeichnungen wurden hinzugefügt. Die erste Ansichtskarte wurde wahrscheinlich in Deutschland von dem Buchhändler August Schwarz verschickt. Er sendete im Jahr 1870 eine sogenannte Correspondenz-Karte, die mit einem Bildchen bedruckt war.
Die Beliebtheit der Postkarten nahmen rasant zu. Bereits 1879 wurden in Deutschland jährlich rund 120 Millionen Exemplare zugestellt. Darunter befanden sich auch einige Modelle, die besonders aufwendig gestaltet waren.
Am 11. Juni 1880 leitete die Deutsche Reichspost die erste sogenannte Künstlerkarte weiter. Darauf war eine Aquarellzeichnung des Künstlers Philipp Franck zu sehen.
Anfang des 20. Jahrhunderts gab es immer mehr Maler, die sich an die Gestaltung von Post- und Ansichtskarten machten. Besonders bekannt ist die Künstlergruppe mit dem Namen “Die Brücke”. Ihr gehörten unter anderem Ernst Ludwig Kirchner, Max Pechstein und Karl Schmidt-Rottluff an. Die Kreativen zeichneten, malten oder druckten kleine Kunstwerke auf die Schriftstücke. Bis heute sind einige Werke erhalten geblieben, die beispielsweise im Jahr 2012 im Brücke-Museum in Berlin ausgestellt wurden.
Computer und Social Media: der Tod der Postkarte?
Während im Jahr 1900 die Ansichtskarte das Medium der Zeit war, änderte sich diese Tatsache in den letzten über 120 Jahren drastisch. Früher galten Karten als schnell und zuverlässig. Mit einer modernen SMS oder WhatsApp-Nachricht können sie allerdings nicht mithalten. Selbst wenn zu Beginn des 20. Jahrhunderts im Stadtgebiet von Wien die Postkarten innerhalb von nur 2 Stunden zugestellt wurden. Eine elektronische Nachricht kommt heute innerhalb von wenigen Sekunden an.
Sind die Karten deshalb ausgestorben? Tatsächlich verschickten im Jahr 2019 nur noch zwei von zehn Deutschen eine Postkarte aus dem Urlaub. Der Rest sendet einen digitalen Gruß an seine Liebsten.
Den Todesstoß hat das digitale Zeitalter der Karte glücklicherweise dennoch nicht versetzt. Denn nach wie vor wählen viele Deutsche das Medium der Post- oder Klappkarte aus – nämlich dann, wenn ein wichtiger Anlass ins Haus steht. Bei Hochzeiten, Taufen und Geburtstagen werden Einladungskarten verschickt. Auch zur Überbringung von Glückwünschen und Beileidsbekundungen nutzen die Menschen bis heute gerne Karten.
Moderne Technik: Jeder wird zum Kartenkünstler
Dass die Karte bis heute ihre Daseinsberechtigung hat, liegt an verschiedenen Faktoren. Einerseits wirkt sie wesentlich persönlicher als ein elektronischer Gruß. Zu wichtigen Anlässen gehört es deshalb zum guten Ton, eine Papeterie zu überreichen. Man stelle sich vor, es wird via Messenger zum Todesfall in der Familie kondoliert. Eine solche Nachricht spendet weder Trost noch Zuversicht. Sie stößt dagegen gerade ältere Menschen schnell vor den Kopf.
Andererseits ist es wichtig, sich bei der Kartengestaltung von der Masse abzuheben. Einladungs-, Gruß- und Glückwunschkarten werden nur noch an ausgewählte Personen zu bestimmten Anlässen verschickt. Sie dienen nicht mehr der tagtäglichen Kommunikation. Karten von der Stange wirken häufig einfallslos. Deshalb greifen viele Menschen auf individualisierbare Modelle zurück.
Blanko-Karten zum selbst bemalen oder bekleben sind im Schreibwarenhandel oder Internet zu erstehen. Wer allerdings keinen professionellen Umgang mit Kleber und Schere pflegt, dessen Ergebnis sieht oftmals wie die Bastelarbeit eines Vorschulkindes aus. Dadurch wird in der Regel nicht der gewünschte Eindruck erzielt.
Dank moderner Technik lässt sich das vermeiden. Verschiedene Kartendruckereien bieten ihren Kunden die Möglichkeit, Karten selbst zu designen. Dazu stellen sie ihnen eine Benutzeroberfläche sowie Kartenvorlagen zur Verfügung. Die Grund-Designs werden mit den eigenen Bildern, Wunschfarben und Lieblingsmotiven in ein Einzelstück verwandelt. Die Gefahr, dass zwei Personen Karten mit den gleichen Motiven verschicken, ist damit gebannt.
Auch der Beruf des Kartenkünstlers scheint nicht ausgestorben, wie ein Blick auf den Marktplatz von meine-kartenmanufaktur.de zeigt. Dort bieten Kreative ihre Karten-Entwürfe zum Verkauf an. Gemalt wird auf den modernen Modellen zwar nicht, aber sie werden mithilfe neuster Technologien kreiert.
Künstliche Intelligenz zur Ansichtskarten-Gestaltung
Apropos neuste Technologien. Dabei darf auch die Künstliche Intelligenz (KI) nicht unerwähnt bleiben. Denn tatsächlich kann sie für die Erstellung von atemberaubenden Künstlerkarten eingesetzt werden.
In diesem Zusammenhang muss das Stichwort Midjourney fallen. Das Text-to-Image-Tool ist bei Grafik-Designern und kreativen Menschen auf der ganzen Welt in aller Munde. Midjourney ist eine künstliche Intelligenz, die darauf spezialisiert ist, aus Text Bilder zu erschaffen. Die Nutzer müssen zur Kreation eines Bildes die KI mit Kommandos füttern. Je ausgereifter die Anweisung ist, desto atemberaubender fallen die Ergebnisse aus. Faszinierende Kunstwerke wie Théâtre d’Opéra Spatial von Jason M. Allen sind damit bereits entstanden.
User können die künstliche Intelligenz anleiten und die Ergebnisse später auf Postkarten drucken lassen.
Auch für den Text der Papeterie kann KI genutzt werden. Dazu wird zum Beispiel ChatGPT mit einem Prompt gefüttert, der den gewünschten Content-Inhalt beschreibt. Die AI erstellt dann auf Anweisungen einen lustigen, nachdenklichen oder tiefgründigen Inhalt für die Karte. So wird sichergestellt, dass es zukünftig keine langweiligen Postkarten mit Berichten über das Urlaubswetter und Essen aus dem 4-Sterne-Hotel mehr gibt.
Die Zeit lässt sich nicht aufhalten – aber nutzen
Das Leben auf unserem Planeten steht im Zeichen des permanenten Wandels. Das gilt für die Natur genauso wie für die Kunst. Während manche der Vergangenheit nachtrauern, machen andere sie sich zum Partner. Denn alte Künstlerpostkarten sind unter Umständen eine wertvolle Rarität. So wechselte die gemalte Postkarte “Grünes und weißes Pferd” von Franz Marc für 781.000 Euro bei einer Auktion den Besitzer. Damit gilt sie als eine der teuersten Postkarten der Welt.
Niemand weiß, welche Dinge der Gegenwart in 50 oder 100 Jahren eine lukrative Wertsteigerung erreichen werden. Aber möglicherweise gehören Künstlerkarten aus den Anfängen der KI-Zeit dazu. Deshalb kann es lohnend sein, die neuen Technologien nicht aus der eigenen Wahrnehmung zu verbannen, sondern klug einzusetzen.
Inhaber und Geschäftsführer von Kunstplaza. Publizist, Redakteur und passionierter Blogger im Bereich Kunst, Design und Kreativität seit 2011. Erfolgreicher Abschluss in Webdesign im Rahmen eines Hochschulstudiums (2008). Weiterentwicklung von Kreativitätstechniken durch Kurse in Freiem Zeichnen, Ausdrucksmalen und Theatre/Acting. Profunde Kenntnisse des Kunstmarktes durch langjährige journalistische Recherchen und zahlreichen Kooperationen mit Akteuren/Institutionen aus Kunst und Kultur.