Unaufhörlich rast das Geräusch durch die Luft. Immer wieder der gleiche monotone Klang, nur die Abstände variieren und vielleicht die Dauer. Streifen um Streifen wird das Grau scheinbar von der Wand gehobelt.
Lässig wandert die Rolle durch die Finger des Künstlers, als dieser nach einigen Schritten zurück die Entwicklung seines Werkes begutachtet. Eine kurze Pause und erneut das Geräusch abrollenden Klebebands, ehe der nächste Streifen zielsicher auf dem Mauerwerk landet.
„Die Kunst zu kleben“, so wird Tape Art, die Klebeband-Kunst aus Berlin mitunter begrifflich umschrieben. Ein Streetart-Genre, bei dem die Farbe nicht aus Dose, Pinsel oder Patrone kommt, sondern von der Rolle. Die Kunstwerke werden ins Stadtbild geklebt.
Gedankliche Farbstriche in Form von Klebebandstreifen, die sich geradlinig ihren Weg auf Häuserwände oder Gehwegplatten bahnen. Wetter und Willkür bestimmen die Lebensdauer dieser meist wortlosen Dialoge im öffentlichen Raum.
Eine Neuheit ist die Klebeband-Kunst zwar nicht mehr, ein relativ junges Phänomen der urbanen Kunstlandschaft jedoch allemal.
Was zeichnet diese Form von Urban Art aus?
Tape Art zeichnet sich vor allem durch das verwendete Material – dem Paketklebeband – aus und kann damit zu einem wahren Spektakel anwachsen. Meist wird dabei ein klassisches, breites Packklebeband in brauner Farbe verwendet, das wir alle aus unserem Haushalt kennen.
Alternativ wird auch sogenanntes Scotch Klebeband in tausend verschiedenen Farben verwendet. Oder die Künstler greifen auf transparente Klebestreifen zurück, die wir alle auch für unsere Geschenkverpackungen benutzen. Bei manchen Werken und Darbietungen kommt das Band sogar ganz ohne Klebrigkeit daher und besteht dann aus PVC-Bändern, die gewickelt und gespannt werden.
Gerade weil Tape Art so sehr das Material ist, aus dem sie besteht, überrascht sie den Betrachter mit den scheinbar unendlichen Möglichkeiten, die dieser uns so banal vorkommende Stoff hervorzubringen vermag.
Berlin als Tape Art Hochburg
Nicht mehr als eine Hand voll Jahre hat die „Kunst des Klebens“ hierzulande bisher ihre Spuren hinterlassen. Und wie so oft, sind es auch diesmal die Straßen Berlins, die den perfekten Nährboden für Kreativität, Inspiration und Innovation bieten.
Mittlerweile hat sich die Stadt zur Tape Art Hochburg aufgeschwungen – mit einer Reihe renommierter Szene-Künstler, die die Straßen Berlins zu ihrem Freiluft-Atelier gemacht haben.
Zugpferde der Klebekunst: Buff Diss & Slava Ostapchenko
Als Pionier der Klebekunst hat sich der Australier Buff Diss einen Namen gemacht und war zeitgleich auch die Inspiration für jenes Kollektiv, welches die Kunstform hierzulande auf den kulturellen Radar geholt hat: die „Klebebande“.
Adobe Creative Cloud Event 2015 in Berlin: Klebebande – Tape Art im Zeitraffer (Video)
Drei kreative Köpfe, deren Heimat Berlin ist und die die Klebekultur „Schnitt für Schnitt“ etabliert und forciert haben. Bruno, Bodo und Kolja schufen darüber hinaus mit dem „Klebeland“ eine unvergleichliche Material-Fundgrube für Künstler und Kreative.
Eine Reihe aufstrebender Talente schickt sich an, Tape Art mit Klebeband und Schneideutensilien mehr und mehr im allgemeinen Kulturbewusstsein zu fixieren. So auch Slava Ostapchenko.
Der gebürtige Ukrainer hat Berlin für sich und sein Schaffen entdeckt. Lebhafte „Materialspektakel“ als Kern seines Portfolios und eine leuchtende Prägnanz, die seinen Bildern und Installationen regelrecht anheftet: The Art of Taping.
Inhaber und Geschäftsführer von Kunstplaza. Publizist, Redakteur und passionierter Blogger im Bereich Kunst, Design und Kreativität seit 2011. Erfolgreicher Abschluss in Webdesign im Rahmen eines Hochschulstudiums (2008). Weiterentwicklung von Kreativitätstechniken durch Kurse in Freiem Zeichnen, Ausdrucksmalen und Theatre/Acting. Profunde Kenntnisse des Kunstmarktes durch langjährige journalistische Recherchen und zahlreichen Kooperationen mit Akteuren/Institutionen aus Kunst und Kultur.