Von Kunst auf vier Rädern ist die Reden, wenn kreative Menschen herkömmlichen Automobilen eine einzigartige Persönlichkeit verleihen und sie zu wahren Unikaten auf den Straßen machen. Art Cars nennt man solche fahrenden Kunstwerke.
In Deutschland finden sich glücklicherweise gleich eine Reihe an Kunstprojekten und Initiativen, die Künstler und Designer ran an den Lack lassen, um sich ohne kreative Grenzen an der Leinwand „Automobil“ auszutoben.
Besonders in Großstädten wie Hamburg findet man beeindruckende Beispiele für diese Form der Autokunst. Die Hafencity wird jährlich zum Hotspot für kunstvoll gestaltete Fahrzeuge. Ein besonderes Event in der KunstKantine bringt regelmäßig Autoliebhaber und Kunstbegeisterte zusammen, um die technischen und kreativen Aspekte dieser einzigartigen Werke zu würdigen.
Von alten Oldtimern bis hin zu modernen BMWs – jedes Auto kann zur Leinwand für außergewöhnliche Designs werden, die die Straßen in wahre Galerien auf Rädern verwandeln. Es entsteht eine Verbindung von Technik und Ästhetik, von Klassikern des Automobil-Designs und zeitgenössischer Kunst.
Nissis Kunst auf Rädern in der KunstKantine Hamburg
Das Oldtimer-meets-Kunstbegeisterte-Event „Nissis Kunst auf Rädern“ in fand vergangenen Herbst in der vierten Ausgabe in Hamburg statt und war ein voller Erfolg.
Mit einem Hauch von Nissis Cookies in der Luft, lud dieses künstlerische Event zum vierten Male dazu ein, sich in die Welt der fahrbaren Kunstwerke zu verlieren.
Die Autoausstellung präsentierte bekannte Marken wie Alfa Romeo, Porsche, Ferrari, Bentley, Lamborghini und Cadillac. Ein besonderes Highlight war die Oldtimer-Ausfahrt entlang der Elbe, begleitet von einem Cabrio mit einem Trompeter.
In Nissis Kunstkantine konnten Besucher Werke von Künstlern mit Handicap bewundern. Markus Blazaizak, ein gehörloser Künstler, und Wolfgang Jung, ein blinder Künstler, nutzten die Möglichkeit, ihr Oeuvre einem interessierten Kunstpublikum zu präsentieren.
Am Überseeboulevard wurden Kunstwerke von etablierten und aufstrebenden Künstlern ausgestellt. Die Kalligraphie-Künstlerin Jeannine Platz gestaltete live auf der Bühne Nissis Anzug kreativ.
Das Highlight des Events war zweifellos die Entstehung eines “Art Cars” im Prototyp Museum. Die Gäste wurden zu einem gemeinsamen Spaziergang eingeladen, bei dem die bekannte Pop-Art-Künstlerin Larissa Kerner und Markus Blazaizak live ein Prototyp-Auto gestalteten.
Dieses Kunstwerk wurde bis zum Jahresende im Museum ausgestellt und danach für wohltätige Zwecke versteigert. Ein visueller Leckerbissen für die Zuschauer und eine Tradition, die bereits von Pop-Art-Größen wie Andy Warhol und Roy Lichtenstein gepflegt wurde.
Mannheimer Art Cruiser – Gebrauchtwagen wird zum mobilen Kunstwerk
Unsere zweite Station führt uns 600 km südlich in das hessische Mannheim. Dort finden wir den Art Cruiser der Künstlerin Sonja Kadar, ein Auto, das Passanten animiert, spontan kreativ zu werden, und mit Kreide bemalt werden kann.
Jeder ist eingeladen, darauf zu malen und so das Fahrzeug in ein mobiles Crowd-Kunstwerk zu verwandeln. Sonja Kadar kam auf die Idee, ihr gebrauchtes Auto in eine rollende Leinwand umzuwandeln, als sie es kaufte.
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Sie trug den Tafellack selbst mit der Hand auf beide Seiten auf, klebte die Kreidetasche an den Kofferraum und gab das Go zum Loslegen. So wurde der Art Cruiser geboren.
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Am nächsten Morgen war der Art Cruiser bereits komplett mit neuen Bildern und Nachrichten verziert. Die Aktion erfreut sich großer Beliebtheit (SWR berichtete) und zeigt, wie aus einem einfachen Gebrauchtwagen ein einzigartiges Kunstprojekt entstehen kann.
Sonja Kadar stellt ihren Art Cruiser mittlerweile für verschiedene Anlässe wie Kindergeburtstage oder Stadtteilfeste zur Verfügung. Sie verlangt lediglich eine Spende für ihr gemeinnütziges Unternehmen “Art-Exil” oder einen Tankgutschein als Bezahlung.
Die Kunstwerke auf dem Art Cruiser sind übrigens nur temporär, da sie durch Regen oder Waschanlagen wieder verschwinden. Sonja fotografiert jedoch alle Bilder und teilt sie auf Instagram, damit jeder seine Werke wiederfinden kann. Trotz der Vergänglichkeit ihrer Kunstwerke erfreut sich Sonja großer Beliebtheit und viele Menschen buchen ihren Art Cruiser.
Die 1987er Seat Ibiza Edition „César Manrique“ und das BMW 730i Art Car
Für den dritten Boxenstopp reisen wir ein paar Jahrzehnte zurück in die Vergangenheit.
Dieser Seat Ibiza, gestaltet von dem renommierten spanischen Künstler César Manrique für die Internationale Auto Show 1987 in Barcelona, ist ein wahrlich einzigartiges Kunstwerk auf Rädern. Die Lackierung des Fahrzeugs war so auffällig und beeindruckend, dass einige Exemplare sogar an Prominente verteilt wurden.
Der abstrakte Künstler César Manrique wurde 1919 in Arrecife auf der Insel Lanzarote geboren. Schon vor seinem Studium an der Universität der Schönen Künste in Madrid wurden seine abstrakten Kunstwerke öffentlich präsentiert. Trotz seines Erfolgs in New York und seinen Bekanntschaften mit Kunstgrößen wie Frank Stella und Roy Lichtenstein kehrte er 1968 nach Lanzarote zurück und begann, die karge Landschaft mit seinen Kunstwerken zu bereichern.
Er schuf Gebäude, Objekte und Konstruktionen von außergewöhnlicher Schönheit aus den Lavafeldern. Manrique hatte einen enormen Einfluss als Maler, Bildhauer, Architekt und Landschaftsgestalter auf die Vulkaninsel und vollbrachte das scheinbar Unmögliche.
Dieses oben abgebildete Art Car gehörte dem talentierten Künstler selbst und wurde stolz auf der Messe präsentiert. Für alle, die sich stärker für Automobile interessieren: umfangreiche Infos zum SEAT Ibiza gibt es bei HACKEROTT.de.
Heute kann man das kunstvoll gestaltete Fahrzeug noch immer am Haus von César Manrique auf Lanzarote bewundern. Die Innenausstattung des Wagens ist ebenso ansprechend wie die äußere Gestaltung und verleiht ihm auch nach Jahrzehnten immer noch einen Hauch von Verspieltheit und Eleganz. Darüber hinaus kommt nun ein gewisser Retro-Charme hinzu, der auch Nicht-SEAT-Enthusiasten durchaus ansprechen könnte.
Nach dem SEAT erhielt Manrique einen Auftrag vom deutschen Autobauer BMW, einen neuen Art Car zu schaffen.
Ein Porträt von Allary-Film begleitete den Künstler beim Entstehungsprozesses das BMW Art-Car zu diversen Ausstellungen auf der ganzen Welt (Louvre, Prado, u.a.). César Manrique verunglückte kurz darauf am 25. September 1992 tödlich.
Was bleibt, ist ein zeitloses Stück Automobilgeschichte, das den kreativen Geist seines Schöpfers weiterleben lässt.
Apropos BMW Art Cars – Eine Reise zurück ins Jahr 1975
Roy Lichtenstein, Jenny Holzer, Frank Stella, Robert Rauschenberg, David Hockney, Andy Warhol, John Baldessari und Jeff Koons zählten zu den bedeutendsten Künstlern ihrer Zeit, die im Jahr 1975 für die »Art Cars«-Serie von BMW gewonnen werden konnten.
Die BMW Art Cars sind ein faszinierendes Beispiel dafür, wie sich Kunst und Technik auf beeindruckende Weise vereinen können. Die Idee für diese Serie entstand aus dem Traum des französischen Auktionators, Kunstsammlers und Hobby-Rennfahrers Hervé Poulain.
Er wollte unbedingt am legendären 24-Stunden-Rennen von Le Mans teilnehmen, jedoch nicht mit einem gewöhnlichen Rennwagen, sondern mit einem Fahrzeug, das von einem renommierten Künstler gestaltet wurde. Dieser kühne Traum wurde Realität und so startete Poulain tatsächlich in Le Mans mit einem BMW 3.0 CSL, der vom berühmten amerikanischen Bildhauer Alexander Calder bemalt worden war.
Das Ergebnis war ein atemberaubender Supersportwagen voller künstlerischer Ausdruckskraft und Farbenpracht.
Das Art Car von Andy Warhol ist ein weiteres Beispielen innerhalb der „BMW Art Cars“, die eine Brücke zwischen Kunst und Technik schlagen. Die Symbiose von Seriellem und Individuellem wird im BMW Art Car von 1979, gestaltet von Andy Warhol, deutlich.
Er betonte die Darstellung von Geschwindigkeit auf einem BMW M1, indem er die Oberfläche in Windeseile verzierte (noch bevor die Filmcrew zum Filmen eintraf). Warhol erklärte, dass er versuchte, Geschwindigkeit visuell darzustellen, und bei hoher Geschwindigkeit alle Linien und Farben verschwimmen.
Seither sind 18 weitere BMW Art Cars entstanden. Jedes dieser Fahrzeuge erzählt seine eigene Geschichte durch die Linien, Formen, Farben und individuelle Handschrift des jeweiligen Künstlers – sei es Roy Lichtenstein oder Jeff Koons. Insgesamt zeigen die BMW Art Cars eindrucksvoll, wie vielfältig die Verbindung zwischen Kunst und Automobil sein kann.
Ein umfassender Bildband enthüllt nicht nur die Entstehungsgeschichten der bisherigen 19 Kunstwerke, sondern bietet auch interessante Hintergrundinformationen zur Verbindung von Kunst und Technologie (siehe „Skulpturen auf vier Rädern – Chapter »Bookshelf«: BMW Art Cars“).
Thomas Girst – Herausgeber des Bildbandes (2018 erschienen im Hatje Cantz Verlag) und Leiter des internationalen Kulturengagements der BMW Group – betrachtet Olafur Eliassons »Your Mobile Expectations: BMW H2R Project« von 2007 als den markantesten Bruch in der Art-Car-Serie.
Der dänisch-isländische Künstler hat einen Wasserstoff-Prototyp, den BMW H2R, auf innovative Weise umgestaltet. Er ersetzte die äußere Schale durch eine komplexe und filigrane Haut aus spiegelnden Metallschalen, die die Karosserie netzartig umhüllen und mit mehreren Eisschichten bedeckt waren.
Aufgrund dieser Gestaltung konnte das Kunstauto nur in einem Kühlraum bei etwa minus zehn Grad Celsius präsentiert werden. Eliasson betonte, dass sein Projekt Kunst, Design sowie soziale und ökologische Aspekte vereint, um unser Denken über Autos zu verändern und sie im Kontext von Zeit und Raum neu zu interpretieren.
Ein Buch mit dem gleichen Titel wie das Art Car ergänzt dieses Projekt als integraler Bestandteil des Gesamtkunstwerks.
Inhaber und Geschäftsführer von Kunstplaza. Publizist, Redakteur und passionierter Blogger im Bereich Kunst, Design und Kreativität seit 2011. Erfolgreicher Abschluss in Webdesign im Rahmen eines Hochschulstudiums (2008). Weiterentwicklung von Kreativitätstechniken durch Kurse in Freiem Zeichnen, Ausdrucksmalen und Theatre/Acting. Profunde Kenntnisse des Kunstmarktes durch langjährige journalistische Recherchen und zahlreichen Kooperationen mit Akteuren/Institutionen aus Kunst und Kultur.