Seit einiger Zeit sind frei zugängliche und großenteils kostenlose KI-Programme auf dem Markt, die mit Sprachbefehlen Bilder erzeugen, à la Kleiner Prinz: „Mal mir ein Schaf!“.
Die Diskussion, inwieweit die Kunst und die Künstler von KI bedroht werden, ist in vollem Gange. Viele befürchten schon den künstlerischen Untergang des Abendlandes.
Ist nun jeder ein Künstler?
Jetzt können also auch die künstlerisch Anspruchslosesten und Untalentiertesten Bilder erzeugen, von denen man vor Zeiten von KI gesagt hätte: „Da ist Talent vorhanden.“ Doch an diesen Bildern und Bildchen haben wir uns schon nach kurzer Zeit sattgesehen und sie beeindrucken niemanden mehr.
Es bedarf eben eines Künstlers, um mit KI ein Kunstwerk zu schaffen! So muss sich der Künstler, der malt oder zeichnet, bezüglich KI keine Sorgen machen.
Gefahr für die Gebrauchskunst
Anders sieht es mit der Gebrauchskunst und -graphik aus. In diesem Bereich sind die Arbeitsplätze und Einkommensquellen der Tätigen durch KI genauso bedroht wie vor hundert Jahren die Hufschmiede, Sattelmacher, Zureiter und Jockeys durch die Erfindung des Automobils. Doch aus Kutschern wurden Chauffeure und aus Stallburschen Mechaniker, weshalb man auch hier nicht in Panik verfallen sollte.
Große Firmen werden vermutlich ihre Grafikabteilungen z.B. von drei auf einen Mitarbeiter reduzieren, der oder die dann alles mit Hilfe von KI erledigt. Aber Chef oder Chefin einer kleinen Firma wird jetzt nicht den Lageristen oder die Reinigungskraft damit beauftragen, mittels KI die Flyer zu gestalten. Stattdessen wird er oder sie weiter Freelancer damit beauftragen. Diese Freelancer können den Auftrag mit Hilfe von KI-Tools wesentlich schneller erledigen und, vom drögen Teil der Arbeit befreit, mehr dem Kreativen widmen.
Diebstahl am geistigen Eigentum
Was das Vergreifen am geistigen Eigentum anderer anbelangt, so haben Künstler aller Epochen dies getan und sich von ihren Vorgängern oder Zeitgenossen „inspirieren“ lassen. Da die KI-Programme mit von Künstlern geschaffenen Bildern trainiert werden mussten, denke ich, dass hier unbedingt eine Vergütung stattfinden muss. Dies könnte man z. B. recht simpel gestalten, indem man einen gewissen Anteil des Umsatzes der KI-Firmen der VG Wort oder der VG Bild-Kunst zuführt.
Wenn heute unzählige Künstler abstrakte Bilder im Stile Gerhard Richters „rakeln“, vergreifen sie sich dann an dessen geistigem Eigentum? Diese Bilder „qualitativ“ denen von Richter in nichts nachstehen und sogar dessen Werke vom Nährwert für den Betrachter oft. Dennoch ist ein solches Bild kein „Richter“, und nur wenige sind bereit, selbst ein Promille des Preises eines Richterbildes dafür zu bezahlen.
KI-Kunst kann es nur gedruckt geben
Bei aller Kritik: Vergessen wir bitte nicht, dass alle Bilder, die mittels KI erschaffen wurden, nur gedruckt haptisch werden. Sie sind also weder gezeichnet, noch mit Öl oder Acryl gemalt, den Sinnen zugänglich. Und selbst wenn künftige Druckverfahren das pastöse Drucken mit Öl- oder Acrylfarben ermöglichen sollten, was vermutlich innerhalb der nächsten Dekade der Fall sein wird, so wird auch der Laie solche Bilder von Handgemalten unterscheiden können. So wie man mit einer Lupe unschwer den Offsetdruck von einem Siebdruck oder einer Lithographie unterscheiden kann.
Der Reiz des gemalten oder gezeichneten Unikats wird durch KI niemals zu ersetzen sein.“
Demokratisierung des Kunstschaffens durch KI
Wie das Internet den Kunstmarkt demokratisiert und Kunstinteressierten und Kunstschaffenden zugänglich gemacht hat, so findet durch KI eine Demokratisierung des Kunstschaffens statt.
Was meine ich damit? Jeder Mensch hat das Bedürfnis, etwas zu erschaffen, doch nur wenigen ist das Talent oder die körperliche Fähigkeit dazu gegeben. Durch KI können Menschen, die durch körperliche Einschränkungen nicht einmal einen Pinsel oder Bleistift führen könnten, die Bilder in ihrem Kopf durch Sprachbefehle sichtbar machen. Mit KI haben nun alle Menschen die Möglichkeit, ein ansprechendes Bild entstehen zu lassen, und haben Freude daran.
Sie können sich dieses drucken lassen und an die Wand hängen und brauchen nicht in die Dekoabteilung des Baumarktes zu gehen. Das Pendant dazu ist die milliardenfache Knipserei von Urlaubsfotos. Auch wenn die Qualität meilenweit von der eines versierten Fotografen entfernt ist, lassen sich die Leute ein besonders gelungenes drucken und hängen es auf, weil es ihr „eigenes“ Foto ist. Bildgenerierung durch KI-Tools hat also auch eine zutiefst soziale und inklusive Funktion.
Ein malender oder zeichnender Künstler braucht meiner Einschätzung nach also keine Sorge zu haben, dass seine Kunst durch KI gefährdet ist. Und, nicht zu vergessen, auch vor KI konnte kaum ein Künstler allein von seiner Kunst leben?
Probleme für Fotografen
Anders sieht es in der Fotografie aus. Hier ist vor allem der Landschafts- und Naturfotograf gezwungen, seine Kunst auf ein höheres Level zu heben und die eigene Handschrift mehr herauszuarbeiten, denn es drängen von unten KI-generierte „Fotografien“ von hoher Qualität nach. Der überwiegend künstlerisch arbeitende Fotograf aber kann sich die KI-Tools sogar zunutze machen.
Hinzu kommt, dass, wie KI-Kunst, die Fotografie auch erst in irgendeiner Form „gedruckt“ werden muss, denn mit der Datei in der Digitalkamera können Kunstinteressierte nichts anfangen. Und auch das Negativ eines analog arbeitenden Fotografen muss erst belichtet und vergrößert werden, um als Bild an der Wand einen Platz zu finden.
„KI-Kunst kann jeder!“
Meine Großmutter antwortete, danach gefragt, was sie von den Beatles halte: „Das ist keine Kunst, das kann jeder, da macht ja der Strom die Musik“.
Ein wenig erinnert mich die Beurteilung von Kunstwerken, die ganz oder teilweise mit KI geschaffen wurden, an die Aussage meiner Großmutter.
KI-Bilder kann jeder! Das geht auf Knopfdruck! Dazu muss man keine Begabung haben! Das ist keine Kunst!
Zu glauben, dass hinter einem Bild, das mit Hilfe oder ausschließlich mit KI generiert wurde, keine Mühe und kein Zeitaufwand steckt, ist ein Trugschluss. Viele in Öl oder Acryl abstrakt gemalte Bilder werden in einer halben Stunde gemalt, während es eine ganze Nacht dauern kann, bis ein künstlerisch hochwertiges KI-Bild geschaffen wurde. Mal abgesehen davon, dass „Mühe“ oder „Zeitaufwand“ keine Kriterien für Kunst sind.
Ich bin überzeugt davon, dass kaum einer der bedeutenden Maler des 20. Jahrhunderts auf die künstlerischen Möglichkeiten durch KI verzichtet hätte, wenn es diese Option zu seinen Schaffenszeiten gegeben hätte. Ich habe aber auch Verständnis dafür, dass sich zeitgenössische Maler und Teile der Kunstwelt von den Möglichkeiten, die KI bietet, bedroht und in Frage gestellt fühlen. Sie sprechen solchen Werken das Recht ab, Kunst zu sein.
Dieses Bild von mir mit dem Titel „Assimilation“ ist z.B. eine Melange aus händischer Acrylmalerei und KI-unterstützter Bildgenerierung. Es thematisiert die Frage, wo Anpassung endet und Assimilation beginnt.

Analog und digital
Ich liebe es, mit Tuschen, Öl- und Acryl- und anderen Farben zu malen. Auf Leinwand, Holz und allem Möglichen. Mit Pinsel, Spachtel etc. und Kunstwerken aus allen denkbaren Materialien, die man finden kann. Doch setze ich mir keine Beschränkung, auch digitale Mittel zu nutzen und in meine Kunst zu integrieren. Und gerade die Mischung aus digitalen und analogen Techniken und Verfahren ist besonders reizvoll und interessant für mich.
Mein Fazit: KI ist lediglich ein weiteres Werkzeug, das Künstlern und Künstlerinnen zur Verfügung steht.

Otto Frühwach wurde 1960 in München geboren. Zu Jugendzeiten künstlerisch aktiv, war er bis zu seinem sechzigsten Lebensjahr in verschiedenen kulturellen und wirtschaftlichen Bereichen, immer selbständig und als Unternehmer tätig, in der Seele immer der Kunst verhaftet. Seit seinem sechzigsten Lebensjahr hat er das aktive Kunstschaffen im Zentrum seines Lebens positioniert und arbeitet seitdem mit den verschiedensten Techniken und Materialien, um seine Bilder zu schaffen. Sein Werk ist vielseitig, genre- und stilübergreifend.
“Die Kunst betrachte ich zunächst wie eine Weltreise, auf die ich mich mit den verschiedensten Fortbewegungsmitteln begeben habe. Ich bin für alles offen. Danach werde ich entscheiden, wo ich mich niederlassen werde.“