In einer Welt, in der die Umweltbelange jedes Jahr massiv zunehmen, entstehen neue Lifestyle-, Wellness- und Modetrends, die sich durch ihren nachhaltigen Charakter auszeichnen.
Dies ist der Fall beim Upcycling (auch Eco-Cycling genannt), einem Trend der nicht unbedingt ganz neu ist, aber im Jahr 2021 einen weiteren Höhenflug erlebt.
Getrieben durch Bewegungen wie Fridays for Future, zunehmender Umweltkatastrophen, den spürbaren Folgen der Klimaerwärmung und allgegenwärtigen Diskussionen hat sich das Thema Nachhaltigkeit und Umweltverträglichkeit ins Zentrum unseres täglichen Lebens geschoben.
Kaum ein Verbraucher, Produzent, Unternehmen, Künstler oder Designer kann sich der Thematik weiter entziehen. Der Schutz und Erhalt unseres blauen Planeten mit seinen komplexen Ökosystemen ist nicht länger optional, sondern zum Imperativ unseres Denkens und Handelns geworden. Und das ist gut so, schließlich ist es laut nicht weniger Expertenaussagen längst fünf vor zwölf.
Wer der Wegwerf-Konsum-Schleife aus Hersteller- bzw. Erzeugersicht den Rücken kehren möchte, versucht, bereits vorhandene Materialien und Ressourcen, die bestenfalls für eine Form des Recycling vorgesehen waren, zu nutzen und ihnen durch Wiederverwertung neues Leben einzuhauchen – oft in wunderbaren, originellen und außergewöhnlichen Designs.
Aber ist Eco-Cycling tatsächlich immer nachhaltig? Wie funktioniert Upcycling eigentlich?
Beginnen wir von vorne…
Das Problem: Wegwerfmentalität in der Überflussgesellschaft
Lassen Sie uns nicht drum herum reden: wir leben in einer Wegwerfgesellschaft. Dinge landen oft vorzeitig oder unnötig im Müll, obwohl wir damit Ressourcen verschwenden und so die Umwelt schädigen.
Wir leben in einer Überflussgesellschaft, in der mehr Waren und Güter angeboten werden, als überhaupt notwendig sind. Hinzu kommt eine Lebenshaltung, die darauf ausgerichtet ist, das Bedürfnis nach Konsum und neuen Konsumgütern möglichst schnell und unmittelbar zu befriedigen.
Das permanente, scheinbar nie enden wollende Warenangebot führt dazu, dass viele Dinge zu früh weggeworfen oder entsorgt werden. Häufig wird gar nicht darüber nachgedacht, ob das gekaufte Produkt tatsächlich gebraucht wird.
Dem Konsumbedürfnis der Wegwerfgesellschaft kann die Wirtschaft und Industrie (also die Erzeugerseite) nur nachkommen, indem sie die Massenproduktion am Laufen hält. Natürliche Ressourcen wie Wasser, Energie und viele andere Rohstoffe muss sie dafür verschwenderisch einsetzen.
Diese Ressourcenverschwendung geht unweigerlich mit der Ausbeutung unseres Planeten und massiver Umweltverschmutzung einher.
Die Probleme der Wegwerfgesellschaft werden vor allem in der Textilindustrie – aber auch bei Möbeln, Deko-Objekten u.v.m. ersichtlich.
Der Artikel „Gegen die Wegwerfgesellschaft: Das hilft“ bringt die Zusammenhänge, sowie deren Auswirkungen für Natur und Mensch gut auf den Punkt.
Erfreulicherweise lässt uns die Autorin Annika Reketat aber damit nicht im Regen stehen, sondern liefert sinnvolle, nachvollziehbare und vor allem für alle umsetzbare Ratschläge, um einen eigenen Beitrag zu leisten.
Wie konnte es zur Wegwerfgesellschaft kommen? Ein kleiner Exkurs
Die Wegwerfgesellschaft hat ihren Ursprung in der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert, als im Zuge der westlichen Industrialisierung die Massenproduktion ins Rollen kam. Gegenstände konnten günstiger produziert und verkauft werden, wenn sie aus minderwertigeren Materialien und in Serie hergestellt wurden. Die geringere Lebensdauer und die logische Konsequenz daraus, Produkte nun immer häufiger kaufen zu müssen, wurde zum „Fundament“ für wirtschaftliche Stabilität und Wohlstand.
Dieser auf Massenkonsum ausgerichtete Lebensstil schwappte zwischen den 1950er und 1970er Jahren von den USA über den großen Teich nach Deutschland herüber.
Heute ist die Wegwerfgesellschaft in den Ländern des Globalen Nordens fest etabliert. Billig- und Massenproduktion haben sich durchgesetzt und mithilfe von geplanter Obsoleszenz lässt sich das Wachstum antreiben.
Die Fast-Fashion-Industrie setzt Obsoleszenz nicht nur mithilfe minderwertiger Materialien um, sondern auch, indem sie einen neuen Trend nach dem anderen kreiert und bewirbt. Gleichzeitig werden selbst für hochwertige Produkte keine Ersatzteile mehr bereit gehalten, damit man sich immer wieder neue Produkte kaufen muss. Ein prominentes Beispiel dafür sind nicht reparierfähige, fest verbaute Akkus in Smartphones.
Die gute Nachricht: es gibt alternative Wirtschaftskonzepte und Konsumverhalten, um der Wegwerfgesellschaft effektiv etwas entgegenzusetzen. Sie zeichnen sich durch eine Besinnung auf Sparsamkeit, materielle Freiheit, Achtsamkeit, Wertschätzung und die Erkenntnis aus, dass Gegenstände oft einen viel höheren Preis haben, als auf dem Preisschild ausgewiesen.
Neben Frugalismus, Minimalismus, und Achtsamkeit kommt hier auch Second-Hand und Upcycling ins Spiel.
Was ist Upcycling?
Upcycling ist eine Reihe von Techniken, die abgenutzte, gebrauchte oder beschädigte Gegenstände, Kleidung und Materialien wieder zum Leben erwecken, indem sie in ein qualitativ hochwertigeres Produkt umgewandelt werden.
Mit anderen Worten, es macht aus alt neu, aber besser. Daher die wörtliche Bedeutung des Begriffs Upcycling „Recycling nach oben“.
Der Unterschied zwischen Upcycling und Recycling besteht hierin: Upcycling ist im Gegensatz zum Recycling ein ästhetisch ansprechenderer Transformationsprozess, der dem Endprodukt einen Mehrwert verleiht. Ein recyceltes Produkt erfordert das Eingreifen von Fachleuten, da es Energie verbraucht, aber nicht von einer höheren Qualität als das Originalprodukt profitiert.
Und manchmal macht Upcycling viel mehr als nur zu verändern, es erfindet sich neu…
Es kann eine echte Neugeburt des Produkts zu einer völlig neuen Art der Verwendung sein, manchmal sehr weit vom ursprünglichen Gebrauch entfernt.
Nehmen wir als anschauliches Beispiel eine Glasflasche, die als originelle Vase neu erfunden wurde; ein Surfbrett, das nun sein neues Dasein als Couchtisch feiert, alte Kisten als Regale oder Möbelstücke, bunte Kleidung (oft Patchwork) aus verschiedenen Stoffen (oder Stoffresten).
Das ist die Seele von Upcycling! Getreu dem Sinnspruch des französischen Chemikers und Naturwissenschaftlers Antoine Laurent de Lavoisier:
Nichts geht verloren, nichts entsteht, alles verwandelt sich.“
Tatsächlich kann alles upgecycelt (oder heißt es eher „geupcycelt“) werden. Ein bisschen Inspiration, Kreativität und Fantasie… und das war’s!
Jeder kann Upcycling ausprobieren.
Flüchtiges Strohfeuer oder gekommen um zu bleiben? Ein kurzer Blick zurück
Um besser zu verstehen, ob es sich beim Upcycling um eine vorübergehende Modeerscheinung oder um eine nachhaltige Kehrtwende beim Denken handelt, reisen wir mal knapp 3 Jahrzehnte in die Vergangenheit zurück – mithilfe eines Artikels des INDEPENDENT: „Upcycling: is this eco trend here to stay?“ aus der Feder der Interior Design Expertin Emily Jenkinson.
1994 offenbarte Reiner Pilz vom deutschen Technologieunternehmen Pilz GmbH in einem Interview mit Thornton Kay von Salvo seine Abneigung gegenüber dem damals vorherrschenden Recycling:
Ich nenne es Downcycling. Sie zertrümmern Stücke, sie zerstören alles. Was wir brauchen, ist Upcycling, bei dem alten Produkten mehr Wert und nicht weniger Wert verschafft wird.“
„Upcycling“ ist seit diesen Jahren in den Neunzigern das Schlagwort der Einrichtungs- und Modebranche.
Laut Angus Middleton, dem damaligen Direktor der Umweltberatung Renaissance Regeneration und Gründer von ecoboom.co.uk (nicht länger aktiv),
wird er jedoch oft fälschlicherweise als sexy Bezeichnung für die Renovierung alter Möbel verwendet, ein bisschen wie ‚pre-loved‘ statt Second-Hand oder ‚moderne Antiquität‘ statt Schrott. Es sollte sich darauf beziehen, die Bestandteile eines überflüssigen Objekts zu nehmen und daraus ein neues, nützliches Objekt zu schaffen, unter der Reduzierung des Einsatzes von Neuware.“
Abseits des üblichen PR-Geredes und Corporate Greenwashings einiger Unternehmen kann man retrospektiv festhalten, dass es immer mehr Designer, Hersteller und Kreative gibt, die echtes Upcycling betreiben.
Upcycling bedeutet, dass Nachhaltigkeit ein fester Bestandteil des Objekts und des Lebensstils ist, zu dem es gehört. Außerdem schürt es kreative Prozesse, d.h. es hilft uns dabei, alltägliche Dinge auf eine vollkommen neue Art und Weise zu sehen.
Upcycling als Teil eines nachhaltigen Trends
Wie eingangs angesprochen, sind Umweltthemen zu einem gewichtigen Teil des kollektiven Bewusstseins der Gesellschaft geworden. Gewohnheiten ändern sich und auch Praktiken: Wir vermeiden Verschwendung, wir sortieren und trennen unseren Müll und versuchen, unseren Abfall zu reduzieren.
Upcycling kommt also genau zur richtigen Zeit. Durch die Verwendung alter Materialien werden die Nutzung neuer Rohstoffe und die Produktion von Abfällen weitgehend vermieden. Nichts soll weggeworfen werden.
Der Trend erscheint als ökologische Alternative zum Überkonsum. Und durch die Schaffung neuer, oft einzigartiger Produkte verleiht Upcycling diesen einen seltenen und exklusiven Charakter; eine Eigenschaft, die vielen weltweit exportierenden Marken durch Standardisierung verloren gegangen ist.
Internationale Marken, die Upcycling verstanden haben
Immer mehr Menschen lassen sich von Second-Hand-Produkten zu einem Kurswechsel in ihrem Shopping-Verhalten verleiten. Ist die Ära der Fast Fashion bald vorbei?
Wahr ist, dass Second-Hand-Läden, Flohmärkte und Vintage-Shops seit einiger Zeit einen regelrechten Aufschwung erleben. Vinted, die Verkaufs- und Tauschanwendung für gebrauchte Kleidung und Accessoires, ist mit ihren 37 Millionen Nutzern weltweit Anfang 2021 ein Nachweis für diese globale Begeisterung.
Ein Markt mit nahezu unbegrenztem Potenzial. Einige Vertreter aus Branchen rund um Dekoration, Design und Mode haben die Zeichen der Zeit verstanden und die sich ihnen bietenden Möglichkeiten ergriffen, das Aus-Alt-Mach-Neu-Konzept voll und ganz auf den Punkt zu bringen.
Auch Luxusmarken setzen auf Upcycling. Große Modehäuser wie Coach, Hermès, Balenciaga oder Miu Miu haben Eco-Cycling-Stücke herausgebracht, ja sogar ganze Kollektionen nach dem Second-Hand-Konzept.
Inspirierende Beispiele für nachhaltige Fashion & Accessoires:
Les Récupérables
Les Récupérables ist eine Modemarke aus Frankreich. Aus Leinenstoffen, melierten Kleidern und dem Ende von Textilrollen entstehen nur viermal im Jahr Kleiderkollektionen in limitierter Auflage.
La vie est belt
La vie est belt ist eine Accessoires-Marke, die alte Fahrradreifen und -schläuche wiederverwertet, um sie in ultra-modische Gürtel zu verwandeln.
Friendly Frenchy
Friendly Frenchy stellt 100% verantwortungsvolle Sonnenbrillen aus Muscheln her. Austern- und Jakobsmuscheln werden von Restaurantbesitzern gesammelt und dann in schicke und elegante Sonnenbrillen verwandelt.
Sie finden diese Brille bei Seed, dem ersten 100% ethischen und nachhaltigen Optiker in Belgien.
Atelier Extramuros
Atelier Extramuros ist eine sozial und ökologisch engagierte Marke, die Möbel aus Bauholz oder Holz aus Abfallsortieranlagen entwirft und herstellt. Die Materialien werden recycelt und zu maßgeschneiderten Möbeln für Unternehmen verarbeitet.
MamaAfrika
Martina Zenker aus Düsseldorf betreibt mit ihrem Projekt MamaAfrika einen fairen Handel mit einzigartigen, handgefertigten Produkten. Sie gibt Frauen in vielen Ländern Afrikas Arbeit und verkauft die gefertigten Produkte in Deutschland und anderswo zu fairen Preisen.
Im südlichen und östlichen Teil Afrikas arbeiten hunderte Frauen in mehr als 40 Werkstätten für faire Löhne – sie sichern damit ihre Existenz und die ihrer Familien. Gleichzeitig werden traditionelle afrikanische Techniken bewahrt und weitergegeben. Und die Ergebnisse können sich wirklich sehen lassen.
Beispiele sind ein Warzenschwein und viele weitere afrikanische Tiere als Skulpturen aus recycelten Blechdosen. Besonders beeindruckt hat mich ein voll funktionsfähiges, optisch außergewöhnliches Radio aus recycelten Dosen und Draht.
Entre 2 Rétros
Entre 2 Rétros ist eine Marke, die umweltfreundliche und stilvolle Taschen, Gepäckstücke und Accessoires aus Upcycling-Materialien wie Leder, Autostoffen und Sicherheitsgurten herstellt. Jede Kollektion ist ein Unikat und wird in limitierter Auflage produziert.
LorryBag® Eco von Halfar
Der Taschenexperte Halfar verschafft ausrangierten LKW-Planen eine zweite Chance, um auch nach ihrem Erstdasein weiter „On the Road“ zu bleiben und einem stolzen Besitzer einer Lorrybag Eco viel Freude zu bereiten. Das PVC-Material ist nahezu unverwüstlich, wasserfest und sieht gut aus.
Sie lassen sich wahlweise auch mit vielen Kunstmotiven und -logos bedrucken und transportieren so ideal das Image des jeweiligen Kunstevent-Veranstalters.
Übrigens ist Halfar Mitglied im ÖKOPROFIT® Netz NRW. Diese Initiative hat sich die Verbesserung der Ökobilanz auf die Fahnen geschrieben. Dabei setzt sie auf die Zusammenarbeit von Unternehmen, Kommunen und Experten bei der Erarbeitung von praktischen Lösungen.
Qdebouteilles
Qdebouteilles erfindet Weinflaschen neu. Die Marke verwandelt sie in dekorative Objekte und bringt einen Hauch von Originalität in unser Zuhause. Vasen, Eierbecher, Gläser und Kerzen sind die Flaggschiff-Produkte.
Upcycling in der Kunst – Kreative aus aller Welt setzen auf das nachhaltige Konzept
Zitiert man den Philosophen Odo Marquardt, dann gibt es für den Künstler seit jeher keine Zukunft ohne Herkunft.
Den Kern des heutigen Upcyclings findet man auch schon in den Ready-Mades von Marcel Duchamps und den Dadaisten. Duchamps “Bicycle Wheel” (1913), ein Vorderrad und eine Gabel, die an einem gewöhnlichen Hocker befestigt sind, oder sein “Fountain” (1917) (ein gewöhnliches, in einem Baumarkt gekauftes Urinal) gehören zu den Ikonen dieser Kunst.
Dasselbe gilt für Pablo Picassos “Stierkopf” (1942), der aus einem gebrauchten Fahrradlenker und Sattel erbaut wurde.
Der kreative und intelligente Umgang mit bereits vorhandenem Material ist augenscheinlich eine breiter werdende Strömung der Gegenwartskunst. Sie hält unserer Wegwerfgesellschaft den Spiegel vor und thematisiert das Ressourcenbewusstsein einer jungen, neuen Generation, so die deutsche Verlegerin und Publizistin Christiane Goetz-Weimer im Artikel „Keine Zukunft ohne Herkunft – Upcycling ist eine Herzunft“.
Der erste Upcycling-Kunstpreis, der über 1000 Einreichungen aus vielen Ländern Europas umfasst und ein Best off im Internet präsentiert, bietet einen spannenden Überblick.
Hoffnungsfroh stimmt die Tatsache, dass die allermeisten Einreichungen eine enorme Potenz zeigen, die im schon vorhandenen Material steckt. Mehr Infos zu den Einreichungen und den Preisträgern (inkl. Publikumspreis) gewährt das Zentrum für Zirkuläre Kunst in Lübz über ihre Website unter zirkulaere-kunst.de.
Interessante Kandidaten, die eine nähere Betrachtung verdienen, sind beispielsweise die Mecklenburgerinnen Ramona Seyfarth und Daniela Melzig. Seyfarth hat Schnipsel alter Werbeprospekte zu einem Teppich umgeformt, auf dem Gäste dann herumtreten und ihn so immer wieder verändern und entwickeln.
Melzig hat alte Fenster verarbeitet, Eric Weiser (Leipzig) hat weltweit alte Fußbälle zerschnitten und neu zusammengefügt, auch Reflektoren zu Installationen geformt und Match-Box-Autos platt gepresst und sie als “Insekten” ausgestellt.
Ebenso spannend waren mehrere Kunstmaschinen von Willi Reiche (Bonn), ein Pixelbild aus Plastik-, Snicker- und Mövenpick-Resten von Gudrun Staiger & Rudi Beutinger (Stuttgart). Das Pixelbild wurde mit dem Namen “Äthiopien” getauft und setzt eindrucksvoll einen visuellen Kontrast zu Überflussgesellschaft und Hunger.
Wieso Kunst gegen Müll? Diese Frage stellte sich auch das monumentale Projekt #ZEROWASTEART und präsentierte dazu eine Ausstellung, die als Impulsgeber für eine nachhaltigere Auseinandersetzung mit unserer Ressourcenverwendung wirken will.
Müll konsequent reduzieren, den eigenen Konsum minimieren und gleichzeitig diesen „Verzicht“ als Bereicherung erleben – das ist die Philosophie der Projektorganisatoren hinter der interaktiven Kunstausstellung von Zero Waste.
Ich habe über diesen Kunstpreis hinaus auch noch auf weitere bemerkenswerte Kreative und deren Eco-Projekte gestoßen, von denen ich hier ein paar gesondert erwähnen möchte:
Artur Bordalo, genannt Bordalo II
Upcycling Kunst im Großformat: Der portugiesische Künstler Artur Bordalo, genannt Bordalo II, gibt den Verlierern unserer Wegwerfgesellschaft eine Stimme. Er fertigt überlebensgroße Tiere aus Müll. Seine sogenannten Trash Murals beindrucken durch ihre Authentizität und starke Botschaft gegen Plastikmüll.
Christopher Fennell
Der US-amerikanische Künstler Christopher Fennell erbaut architektonische Skelette aus Müllobjekten. Zum Beispiel verwandelte er alte Scheunenbretter in überdimensionale Kiefernzapfen und ausrangierte Baseball-Schläger in einen Bogen. Zu sehen ist dieser in einem Park in Atlanta, Georgia.
HA Schult
Ein ganzes „Volk aus Schrott“ („Trashpeople“) hat der deutsche Künstler HA Schult geschaffen. Er presste dafür rund 1.000 mannsgroße Figuren aus alten Blechdosen und schickte die bizarren Müll-Skulpturen auf eine Reise um die Welt; vom Matterhorn, über die Pyramiden von Kairo, Gorleben, Rom, Paris, Moskau und Barcelona bis auf die Chinesische Mauer im Jahre 2002.
Earthship Biotecture
„Earthships“, zu Deutsch etwa „Erdenschiffe“, nennt man Wohnhäuser, die mithilfe von recycelten Materialien gebaut werden. Ihre massiven Wände bestehen aus alten, mit Erde gefüllten Autoreifen – so nutzen die Architekten von Earthship Biotecture das natürliche Potential von Erde, Wärme zu speichern.
Der Clou: „Earthships“ sind von den großen Stromversorgern und damit von umweltschädlichen und fossilen Ressourcen wie Öl oder Kohle unabhängig, da sie sich weitgehend selbst versorgen: so wird beispielsweise Wasser mithilfe von Sonnenlicht erwärmt.
„Carnaval de Basura“ von Eduardo Abaroa & „Soziale(s) Plastik“ von Gerhard Baer
Upcycling in Mexiko-Stadt: eine Megastadt, eine schier beispiellose Masse an Plastikmüll, eine deutsch-mexikanische Kulturkooperation, zwei Künstler, zwei Künstlerprojekte, viele Partizipationsideen.
Die beiden Künstler beteiligen im Sinne der „Inventive Art Participatio“ Vorschulkinder und Pädagogen an der Sammlung und Gestaltung von Plastikmüllmaterialien.
Eduardo Abaroa realisierte 2010 im Rahmen seines Werkes „Carneval de Basura“, das in der vom Goethe-Institut und der UNAM initiierten Ausstellung „Residual“ stattfand, einen partizipativen Werkanteil mit Oberstufenschülern und Vorschulkindern. Seine Idee, aus PET-Flaschen Dinosaurier zu kreieren, inspirierte Kinder und PädagogInnen.
Gerhard Baer öffnet mit „Soziale(s) Plastik“ seine künstlerische Praxis für Laien und stellt Möglichkeiten des Gemeinsam-Werdens zur Verfügung. Dabei verlegt der Künstler sein Atelier, seine Arbeitsweise und seine Maschine, die Polyethylenmüll zu einem formbaren Rohstoff erhitzen kann, in den Alltag der Teilnehmenden.
Upcycling: ein anhaltender Trend?
In einer Gesellschaft, in der das Bewusstsein für die Auswirkungen unserer Handlungen auf die Umwelt in unserem täglichen Leben wächst, wird auch das Thema Upcycling weiter an Bedeutung behalten.
Es handelt sich um eine achtsame und umweltbewusste Konsumpraxis, die jeder für sich selbst und sein Shopping-Verhalten leicht übernehmen kann. Das Konzept ist bereits seit vielen Jahren sehr beliebt und hat bereits Millionen von Menschen überzeugt und in glühende Anhänger verwandelt.
Daher müssen Lifestyle-Marken den Trend auch weiterhin sehr genau beobachten. Es ist eine echte Alternative zum Wegwerfkonsum und zur Fast Fashion.
Aus diesen Gründen bin ich überzeugt, dass Upcycling auch in Zukunft ein wesentlicher Bestandteil unserer Konsumgewohnheiten verbleiben wird.
Allerdings sehe ich auch Grenzen dieses Trends, um in der Breite der Bevölkerung auf ausreichend Gegenliebe und Akzeptanz zu stoßen. So wird sich dadurch nicht die Problematik unserer Müllberge in den Griff bekommen lassen. Vielmehr besteht die Gefahr, dass Eco-Cycling letztlich ein kleines Randgebiet bzw. Nischenphänomen bleibt.
Wünschenswert wäre natürlich ein kompletter Sinneswandel bei Konsumenten und Produzenten gleichermaßen. Das ist aber wohl – zumindest für den Moment – noch etwas zu idealistisch und hochgestochen.
Aber man wird doch mal ein bisschen von Utopia träumen dürfen 🙂
Inhaber und Geschäftsführer von Kunstplaza. Publizist, Redakteur und passionierter Blogger im Bereich Kunst, Design und Kreativität seit 2011. Erfolgreicher Abschluss in Webdesign im Rahmen eines Hochschulstudiums (2008). Weiterentwicklung von Kreativitätstechniken durch Kurse in Freiem Zeichnen, Ausdrucksmalen und Theatre/Acting. Profunde Kenntnisse des Kunstmarktes durch langjährige journalistische Recherchen und zahlreichen Kooperationen mit Akteuren/Institutionen aus Kunst und Kultur.