Eine Karikatur ist Satire im Bild – eine uralte Kunst, mit der denkende, unabhängige Menschen immer schon Mächtigen und Mitbürgern den Spiegel vorgehalten haben. Satire spottet und kritisiert, verhöhnt und verurteilt; mit genau der Portion Humor garniert, der die Informationsaufnahme erträglich macht.
Satire klagt an und fordert Veränderungen; Satire dient dem Zweck, die Gesellschaft aufzurütteln, um Veränderungen einzuleiten. Deshalb ist Bild-Satire immer mehr als einfach nur eine schöne Zeichnung (diese wäre höchstens als Karikatur auf das Versagen der Satire denkbar).
Satire gehört wie die Presse zu den korrektiven Kräften, die in Demokratien der Fortentwicklung der Gesellschaft dienen. Satire hängt auch eng mit der Presse zusammen – wo es sich die Medien zu einfach machen, beackert die Satire die brach liegenden Felder. Demokratische Gesellschaften brauchen Satire; Bild-Satire ist eine Form der Satire, die sehr viele Menschen erreicht, deren „Anatomie“ aber ähnlich kompliziert wie die gesamte Gesellschaft ist:
Wann ist eine Karikatur gelungen?
Die Karikatur ist wie jede Satire gelungen, wenn sie den Betrachter auf einen gesellschaftlichen Missstand aufmerksam macht, zum Nachdenken über eine Fehlentwicklung anregt, überlebte Konventionen in den Rahmen der Vernunft stellt und so deren ganze Absurdität sichtbar macht.
Da solche Missstände, Fehlentwicklungen, (selbst-) schädigende Gewohnheiten nur durch Wirken vieler Menschen geändert werden können, will eine Bild-Satire immer möglichst viele Menschen erreichen – diesen Zweck darf und soll sie auch verfolgen, weil ernsthaften Karikaturisten ernsthaft etwas daran liegt, Fehltöne im menschlichen Zusammenleben aufzuzeigen.
Karikaturisten arbeiten im Kern und am Kern der Gesellschaft – gelungen ist eine Karikatur, wenn sie ihren Zweck erfüllt, die Menschen in dieser Gesellschaft zu berühren und „alte Gewissheiten“ in Zweifel zu verwandeln.
Eine gelungene Karikatur
- enthält eine Aussage zu einem gesellschaftlichen relevanten Thema,
- die eine weithin unbekannte, kollektiv ignorierte/verdrängte Seite dieses Themas aus gutem Grund hervorhebt,
- mit einer übertriebenen, humorvollen Zeichnung die Aufmerksamkeit vieler Betrachters erregt,
- die durch die Aussage des Bilds zum Denken anregt werden.
Für die meisten Menschen ist eine Bild-Satire immer dann besonders gut gelungen, wenn sie nicht nur Missstände aufdeckt, sondern dem Betrachter auch gleich Handlungsoptionen zur Behebung dieser Missstände vorstellt.
So einfach, so schwierig, hier ein paar Wegstationen der Entwicklung zum Karikaturisten:
Die Grundlage: Zeichnen lernen
Die erste Voraussetzung dafür, dass ein Satire-Bild gut ankommt, ist die Bildsprache.
Denn das Bild transportiert bei der satirischen Zeichnung eine Aussage, bei der es gewöhnlich nicht gerade um Banalitäten geht.
Wenn diese Aussage möglichst viele Menschen erreichen und aufmerksam machen soll, sollte das Bild gut verständlich sein.
Der Karikaturist sollte die Bildsprache also beherrschen, wissen, wie er was und was er wie ausdrückt.
Der Skeptiker ist an den Augenbrauen und der Stellung des Oberlids zu erkennen; ein gebrochener Mensch drückt sein Elend in seiner ganzen körperlichen Haltung aus; nur eine Nuance unterscheidet das freundlich strahlende Lächeln des zuversichtlich Anpackenden vom feisten, selbstgewissen Grinsen des Egoisten. Eine drohende, unheilvolle Stimmung kann durch dunkle Schraffur oder tiefe Wolken entstehen; das Frohgefühl schwebt und Albernheit schlägt Kapriolen.
Alles sehr diffizile Zeichenarbeit, wer Karikaturist werden will, muss also Zeichnen lernen. Da sich (Bild-) Satire immer auf das Zusammenleben von Menschen bezieht, mindestens anatomisches und mimisches Zeichnen lernen – wer Personen überzeichnen will, muss sie erst einmal sehr genau porträtieren können.
Für das eigentliche „Überzeichnen“ sind keine besonderen Zeichenkenntnisse gefragt – die jeweiligen Merkmale werden einfach dicker, größer, stärker gezeichnet oder sonst irgendwie betont. Wesentlich für die satirische Zeichnung ist auch nicht diese schlichte Betonung, sondern die Entscheidung, welche Details herausgestellt werden – und die gehört zum Inhalt, der im nächsten Absatz angesprochen wird.
Ein guter Karikaturist weiß weiter, wie er mit Schraffuren und Akzenten Stimmungen Gefühle heraufbeschwört; und er hat alle Ausdrucksformen des Zeichnen erkundet, um daraus seinen eigenen Stil zu entwickeln. Falls Sie die hohe Kunst des Zeichnens von Karikaturen nicht erst lange erlernen wollen, um ein humorvoll überzeichnetes Portrait von guten Freunden, Familienmitgliedern oder Kollegen anzufertigen, können Sie übrigens auch eine Karikatur zeichnen lassen. Dafür ist lediglich das Einschicken eines Fotos als Vorlage vonnöten.
Ein sehr guter Karikaturist entwickelt diesen Stil immer weiter, bis zu neuen Ausdrucksformen, für die satirische Zeichnungen bisher nicht bekannt waren (vgl. Banksy).
Gesicht – Karikatur – Ähnlichkeit | Ganz einfach Zeichnen lernen
In nachfolgenden Video-Tutorial für Anfänger zeigt SEBASTIAN von artistravel wie man in einem Gesicht die markantesten Merkmale erkennt und in einer Karikatur wiedergibt. Dabei erklärt er wie man es schafft, dass das Abbild dem Original besonders ähnlich sieht.
Der Inhalt: Eine Aussage, die Stellung bezieht
Da sich (Bild-) Satire mit den Schwierigkeiten beschäftigt, die das Zusammenleben von Menschen mit sich bringt, muss sich der Künstler dazu äußern, welche Schwierigkeiten er warum sieht; und am besten auch noch dazu, was dagegen zu tun ist.
Voraussetzung dafür ist, dass er diese Schwierigkeiten bemerkt, treffend beschreiben kann und diese Beschreibung in eine treffende Bild-Komposition umsetzen kann.
Dabei ist der Kopf sehr viel mehr gefragt als der Stift, und dieser Kopf braucht Kenntnisse, aus denen er schöpfen kann: Menschenkenntnis und Kenntnisse der bekannten Beweggründe menschlichen Handelns (ein Studium der Psychologie wäre sicher keine schlechte Vorbereitung für einen Karikaturisten), Kenntnisse in Biologie und Ökologie und Geschichte und Zeitgeschichte, um die Irrwege der Gesellschaft zu erkennen, und Kenntnisse über Zukunftsforschung, um Auswege aufzuzeigen.
Deshalb sollten junge Zeichner, denen naturgemäß der Überblick für die „großen Karikaturen der Zeitgeschichte“ fehlt, ihren Blick eher auf Details richten. So können sie gleichzeitig genaues Beobachten üben, karikierendes Zeichnen lernen und ihren kritischen Geist schulen, weil zum kritischen Detail immer ein kritisches Umfeld gehört:
Wer als Teenie konsumnaive Influencer mit dem spitzen Bleistift aufs Korn nimmt, braucht noch keine großen Zeichenkünste, weil diese sich alle sehr ähnlich sehen. Nach den Influencern nimmt sich der gereifte, sprachgewandtere Stiftführer die Werbung vor, ein weites Feld schwachsinniger bis verdummender Aussagen.
Mehr Wissen und eine erste Ahnung für Zusammenhänge führt zu den Umwelt-, Gesellschafts-, Gesundheitsschäden des Konsumwahns. Irgendwann kommt der inzwischen höchst komsumkritische Karikaturist bei den großen Konzernen an, die ganzen Regionen das Grundwasser stehlen, und den Politikern, die solche Grund- und Menschenrechtsverstöße decken.
Die letzten Sätze beschreiben die praktische „Ausbildung“ eines Karikaturisten recht gut, bis zur Königs-Disziplin der „politischen Karikatur“, einem stechenden Mittel gegen Gesellschafts-Parasiten, Dummheit und Ignoranz.
Inhaber und Geschäftsführer von Kunstplaza. Publizist, Redakteur und passionierter Blogger im Bereich Kunst, Design und Kreativität seit 2011. Erfolgreicher Abschluss in Webdesign im Rahmen eines Hochschulstudiums (2008). Weiterentwicklung von Kreativitätstechniken durch Kurse in Freiem Zeichnen, Ausdrucksmalen und Theatre/Acting. Profunde Kenntnisse des Kunstmarktes durch langjährige journalistische Recherchen und zahlreichen Kooperationen mit Akteuren/Institutionen aus Kunst und Kultur.